Es gibt ein großes Problem, das Studien so an sich haben: Sie präsentieren Ergebnisse, die schwer nachzuvollziehen sind. Und doch ist es alarmierend: Während der Corona-Pandemie verlor der Vereinssport in Österreich 500.000 Mitglieder, sagen Zahlen der Statistik Austria. Und gleich 75 Prozent aller Kinder machten weniger Bewegung als davor, kann man aus einer Studie der Uni Salzburg über Kinder in der Pandemie lesen. Kein Problem, mag man sich denken und die Beine am Sofa genüsslich hochlagern. Falsch.

Denn das stimmt so nicht. „Österreich war bei der Erwartung an gesunden Lebensjahren schon vor der Pandemie im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich“, weiß Peter McDonald, Präsident der Sportunion, einem der drei Sport-Dachverbände. Was das heißt: Österreichs Bevölkerung verliert im Schnitt 20 Jahre an gesundem Leben. „Und jetzt sehen wir langsam die Schäden der Pandemie. Davor, im Jahr 2019, war eines von fünf Kindern adipös, also übergewichtig und fettleibig, heute ist es schon eines von vier.“ Das heißt: Bereits 25 Prozent aller Kinder sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Patienten von morgen - statt 20 Prozent davor.

Dass 85 Prozent aller Kinder während der Pandemie noch mehr Zeit vor diversen Bildschirmen verbrachte, macht die Sache nicht leichter. Allen Beteiligten ist klar: Es braucht Aktion(en), um alles ins Laufen zu bringen, und das am besten im wahrsten Sinn des Wortes. Es braucht einen Kraftakt, der die bisherigen Seilschaften sprengt und zum politischen wie auch gesellschaftspolitischen Auftrag wird.

Rein monetär ist schon während der Pandemie einiges geschehen, der NPO-Fonds, auf Vorschlag von „Sport Austria“ ins Leben gerufen, war Rettungsanker für viele Vereine. „Insgesamt wurden so 117 Millionen Euro an den Breitensport ausgeschüttet, um ein Vereinssterben zu verhindern“, sagt Sport-Austria-Präsident Hans Niessl. Doch auch er weiß, dass das für die Zukunft nicht reichen wird. Es geht darum, endlich die seit Jahrzehnten propagierte „tägliche Turnstunde“, die schon lange zur „Integration von Bewegungseinheiten im Unterricht“ wurde, endlich zur Tatsache werden zu lassen.

Der Sport und seine Verbände sehen sich hier als wichtigen Lieferanten – non Know-how, aber auch von Personal. „Früher sagte man mir, dass ich die tägliche Turnstunde fordern soll, das reicht. Aber ich will Ergebnisse – und es wäre utopisch, davon auszugehen, dass man so viel Lehrpersonal bekommt, wie man benötigt“, sagt Niessl. Die Lösung: Die Verbände und Vereine springen mit ihrem geschulten Personal ein, bringen Trainer an die Schulen und damit Kinder in Bewegung.

Auch das geht nicht kostenfrei, „man würde so an die 100 Millionen Euro dafür benötigen“, sagt Christian Purrer, Präsident des ASVÖ Österreich. Viel Geld, wenngleich nicht nur Purrer weiß: „Die Frage wird sein, wie lange man es sich leisten kann, das Geld nicht zu investieren. Zumal man diese Summe später leicht wieder einspielt, weil man so Pflegekosten und Kosten im Gesundheitswesen verhindert.“

Was die Beteiligten positiv stimmt: Nicht alle Vereine sind vom Mitgliederschwund existenziell bedroht. „Wir sehen auch andere Beispiele. Es hat massiv damit zu tun, wie man sich präsentiert. Steigt die Qualität in den Vereinen, kommen auch Mitglieder“, weiß Purrer. Und analog zum Sport hat man sich zum Ziel gesetzt, stärker zurückzukommen, als man vor der Pandemie war. „#comebackstronger“ nennt sich das im digitalen Sprech, in dem ohne Hashtag nichts mehr geht. Wichtig bleibt die Nachricht, mehr Menschen zum Sport zu bekommen.

Ein großer Schritt ist im Werden. Erstmals (!) ist es gelungen, dass Sport-, Gesundheits- und Unterrichtsministerien miteinander am Tisch sitzen und an Lösungen arbeiten statt die Problematik immer nur im Kreis an den Nächsten weiterzuschieben  – und der organisierte Sport sitzt dabei.

Vorbild soll das schwedische Modell sein, was die Finanzierung betrifft, die sich erwiesenermaßen rechnet. Wunsch der Sportunion ist es, wie in den Niederlanden eine „Nachwuchssportgarantie“ zu bekommen – kein Lockdown soll Sport verhindern können, zu positiv sind die (Nach-)wirkungen aktiver Sportausübung bei Kindern und Jugendlichen.
Geht alles auf, wäre der Sport auch in Österreich endlich auf dem richtigen Weg. Peter McDonald: „Gute Sportpolitik wird nicht an Medaillen und Erfolgen in der Spitze gemessen, sondern nur daran, wie viele Bürger aktiv Sport betreiben.“ In Österreich sind es zu wenige – noch.