Das Lokal in der Dammstraße im 20. Wiener Gemeindebezirk ist unscheinbar. Der „PM Dartsclub“ hat nicht einmal mehr das sonst für Lokale typische Schild an der Straße – Luftsteuer sparen, heißt es. Innen ist klar, wer der Star des Sports ist: Überall Pokale und Urkunden von den Erfolgen von Mensur Suljovic. Begonnen mit Siegen im E-Darts bis hin zu Bildern seiner Auftritte in der „PDC“, der obersten Liga des Darts-Sports. Dazwischen kündet ein Zettel auch noch im Dezember vom Sonderangebot im November – Cola mit diversen harten Getränken im Sonderangebot.

Das mag genau das konterkarieren, wogegen der gebürtige Serbe ankämpft – das Image seines Sports als „Wirtshausspiel“. „Ich habe“, erzählt Suljovic, „schon schlechte Erfahrungen gemacht.“ Sozusagen die Schattenseiten der Popularität, denn der 46-Jährige wird in der Zwischenzeit auch in der Öffentlichkeit erkannt. „Dann sagen sie: Ich habe auch Darts gespielt, nach zwei Bier, ich kann das. Aber sie haben keine Ahnung.“ Keine Ahnung von den Stunden, die Suljovic vor der Scheibe verbringt und seine Konzentration schärft.

„Manche wollen Darts nur schlechtmachen. Aber wir können ja nicht alle Fußballer oder Skifahrer sein. Nicht jeder kann ein Hirscher sein, aber wir arbeiten auch hart.“ Und das heißt: Sechs bis sieben Stunden pro Tag hoch konzentriertes Training: „Weil wenn du nicht bei der Sache bist, kannst du es sein lassen.“ Und das sechs Tage die Woche: „Einen Tag Pause gönne ich mir.“Alles mit dem großen Ziel vor Augen: die Weltmeisterschaft im „Ally Pally“, dem Alexandra Palace in London, in die die Nummer sieben der Welt am Donnerstag einsteigt. Gegner ist Ryan Searle. Das Ziel nach vier Achtelfinaleinzügen ist klar: „Ich will endlich ins Viertelfinale. Denn das ist das Turnier, für das alle arbeiten.“ Wobei: Genau das macht Suljovic Sorgen. Oder besser sein Kopf, seine Psyche: „Bei der WM bin ich immer unter Druck, das ist immer mein schlechtestes Turnier“, sagt er. Und: „Bei der WM will man eben unbedingt. Das spielt sich alles im Kopf ab und ich hab da irgendwie eine Blockade. Und 90 Prozent spielen sich bei uns im Kopf ab. Oder vielleicht 80.“ Auch an dieser oder besser an ihrer Lösung arbeitet Suljovic. Er hat sich extra einen neuen Mentaltrainer geholt: „Wir müssen einen Weg finden, ich muss nach vorn denken. Weil die Top zehn müssen bei der WM ihre Leistung einfach bringen – die WM sieht jeder, über Weihnachten haben alle Zeit, das ist einmalig!“

Um die Blockade zu durchbrechen, hat Suljovic auch seinen Zeitplan geändert. Erst heute geht es nach London, „da bleibe ich im Training. Und ich brauche das, viel werfen. Und ich bin länger bei der Familie, da bin ich abgelenkt, das ist besser.“ Die Familie wird diesmal auch nicht mit nach London kommen, „die kleine Tochter ist unruhig, das bringt nichts. Hauptsache, ich bringe Weihnachtsgeschenke mit nach Hause“, sagt er.
Vor seinen Spielen wirft er sich bis zu vier Stunden ein, um den Fokus zu finden, ehe es in die Halle geht, zum Einmarsch, mit eigener Musik. „The Gentle“ ist sein „Darts-Name“ – und der zurückhaltende Suljovic genießt diesen „Gänsehautmoment“ jedes Mal aufs Neue. „Wenn du dann auf der Bühne bist, die Fahnen siehst an allen Ecken, das Publikum schreit, es sind viele Freunde da, das ist etwas Besonderes, eine eigene Atmosphäre. Da weißt du dann: Ja, es ist WM!“

Und auch bei dieser WM wird Suljovic unter österreichischer Fahne werfen – auch wenn der Serbe nach wie vor nicht österreichischer Staatsbürger ist. „Nein, den Pass habe ich noch immer nicht“, sagt er und verzieht das Gesicht traurig.

Der Grund: „Ich habe ein Lokal gehabt, da hat eine Studentin gearbeitet, die war auch angemeldet und alles. Aber ein Formular hat offenbar gefehlt, da wurde Beschwerde eingelegt.“ Eine mit Folgen, wie er sagt: „Der Magistrat vergisst nicht. Wegen dieser Strafe bekomme ich jetzt 25 Jahre keinen Pass, die hören nicht auf uns“, sagt er mit einem großen Seufzer und spricht wieder von der WM: „Einer der Großen wird sich durchsetzen. Bei einem anderen Turnier hätte jeder die Chance, aber nicht hier“, erklärt er und landet wieder bei sich: „Im Training werfe ich konstant. Jetzt muss ich nur das mit der Blockade lösen – dann wäre ich mit dem Viertelfinale zufrieden. Eine Runde mehr wäre auch nicht schlecht.“ Was es braucht: „Es muss laufen. Wenn du im Turnier von Anfang an kämpfst, die Doppel nicht triffst, dann hast du keine Chance, nach vorn zu kommen.“