Nach den 60ern von Gerhard Berger und Heinz Kinigadner begeht mit August "Gustl" Auinger eine dritte heimische Motorsport-Legende einen speziellen Geburtstag. Der fünffache Motorrad-GP-Sieger wird am Sonntag 65 Jahre alt, will aber von Pension nichts wissen. Vielmehr feiert der gebürtige Oberösterreicher, der in der Steiermark sein zweites Zuhause gefunden hat, den Geburtstag als "Jung-Ehemann".

Nach 14 Jahren Beziehung hat Auinger am 3. April und damit mitten in der Corona-Krise seine Lebensgefährtin Judith geheiratet. Außer dem Paar war nur die Standesbeamtin zugegen gewesen. Der in der Nähe des Red Bull Rings in einem Haus am Berg wohnende Auinger kommt mit dem derzeitigen Lockdown gut zurecht, auch wenn seine drei Jobs fast stillstehen. "Am meisten fehlen mir meine Enkelkinder", vermisst Auinger die Töchter Alisha (6) und Isabella (5) seines Sohnes Bernhard, einem ehemaligen Autorennfahrer. "Aber durch diese Phase müssen wir durch, ob wir wollen oder nicht."

Der am 3. Mai 1955 geborene Auinger ist im Pulverdampf der für Motorsportler gemeingefährlichen 1970er- und 80er-Jahre groß geworden. Der gelernte Maschinenschlosser schaffte 18 Podestplätze, obwohl er für die 125er-Klasse zu groß und sein Budget viel zu klein war. 1985 wurde er dennoch WM-Dritter, mehrmals auch Motorsportler des Jahres.

"Es war damals schon so, dass du nach einem Sturz nicht sicher sein konntest, ob du jemals wieder auf diesen Goaßbock drauf steigst", erinnert sich Auinger an Zeiten, als Lichtmasten an der Strecke lediglich von einem Strohballen gesichert waren. Zwei Mal war er deshalb auch bei Fahrerstreiks dabei.

Heute ist die Motorrad-WM viel sicherer. "Die Rennstrecken sind professioneller, die Motorräder dank Elektronik viel fahrbarer geworden. Dazu kommen nun auch die Fahrer-Airbags", nennt Auinger die aus seiner Sicht drei wesentlichen Entwicklungen. "Wayne Rainey säße nicht im Rollstuhl, wenn wir damals schon Airbags gehabt hätten."

Fatalitäten seien im Motorrad-Sport natürlich trotzdem nach wie vor nicht ausschließbar. "Das wird weder die MotoGP noch die Formel 1 jemals zusammenbringen. Aber wenn es ein technisches Gebrechen oder eine Kollision gibt, mögest du bitte wenigstens eine gesunde Überlebenschance haben."

Dass die Formel 1 am 5. Juli in Spielberg fahren soll, freut Auinger sehr. "Eine Wahnsinns-Geschichte, wenn das gelingt. Es wäre wohl der erste Mega-Sportevent nach Corona weltweit. Also ein Meilenstein auf dem Weg zurück zur Normalität."

Dass auch die MotoGP im August - ebenfalls ohne Zuschauer - auf dem Ring gastieren könnte, taugt dem Zweirad-Haudegen natürlich besonders. "Es wird aber schwieriger als in der Formel 1, weil wegen der drei bzw. fünf Klassen natürlich viel, viel mehr Fahrer an der Strecke wären." Man müsse aber unterscheiden. "Es geht nicht um uns paar Spinner, so schnell wie möglich Lärm zu machen. Sondern um Menschen nach Corona eine neue Perspektive zu geben."

Mit der MotoGP wäre jedenfalls auch Auinger wieder in seinem Element. Er wartet in seiner Fohnsdorfer Garage die Publikums-Boliden des Red Bull Rings, er coacht die Fahrer des Rookies Cup und ist als Experte für ServusTV an den Rennstrecken der Welt. Auinger warnt aber vor zu viel Euphorie. "Wir sind bisher gut durch die Krise geführt worden. Aber wir dürfen nicht das geringste Risiko eingehen, dass dann eventuell ein zweiter, gottverflixter Schub kommt. Der Lockdown hat Unsummen an Geld verschlungen. Da kannst du nicht durch Leichtsinn noch einen riskieren, das wäre unverantwortlich."

Dass MotoGP-Superstar Valentino Rossi wegen Corona gerade seine womöglich letzte Saison halb verpasst, glaubt Auinger nicht. "Wenn man genauer hinhört, hat er die Entscheidung zum Weitermachen längst gefällt." Rossi liebe den Zweiradsport wie kein anderer. "Selbst seinen Erzfeinden taugt, wenn sie ein weiteres Jahr gegen ihn fahren können. Er hat beigetragen, dass der Motorradsport heute auf Augenhöhe mit der Formel 1 ist."

Auch die 41 Jahre des neunfachen Weltmeisters aus Italien sowie die bevorstehende Degradierung ins Yamaha-Satellitenteam spielen für Auinger keine große Rolle. "Es ist nicht die Zahl beim Alter, das dich ans Aufhören denken lässt. Eher meist eine Werteverschiebung. Und da sehe ich bei Rossi, dass er den Sport nach wie vor liebt, selbst den Stress und die Anspannung. Und wenn das Motorrad zu ihm gepasst hat, war er immer schnell."

Dass der aktuelle Serienchampion Marc Marquez eine Klasse für sich ist, liegt auch für Auinger auf der Hand. "Er ist komplett furchtlos. Bei ihm gehört zur Limitsuche ein Sturz dazu. Da ist er einzigartig." Den "besten Fahrer aller Zeiten" würde Auinger aber nicht wählen. "Jede Epoche hatte ihre Helden. Ich habe als Fan Phil Read vergöttert, dann Barry Sheene. Oder Jarno Saarinen, der als erster Giacomo Agostini in seinen Grundfesten erschüttert hat. Und vor Rossi auch noch Kenny Roberts. Es gibt eine Fülle von extremen Göttern auf zwei Rädern. Da möchte ich nicht selektieren."

Auinger selbst ist nach seinem Karriere-Ende auf einem "unglaublichen" Berg Schulden gesessen. "Heute kannst du vom Motorradsport gut leben. Zu meiner Zeit hat dich selbst ein Sieg finanziell nur wenige Wochen weiter gebracht." Er habe trotzdem seinen Traum gelebt. "Ich wollte das und nichts anderes. Was rauskommt, hast du am Ende gut zu heißen", blickt der bald 65-jährige dennoch begeistert zurück. "Heute lebe ich ja trotzdem davon, dass ich einmal schnell Motorrad gefahren bin."

An sein Pensionsalter denkt Auinger nicht. "Mit dem Thema kann ich nichts anfangen, ich verdränge es." Geschenke bekomme vielmehr, wer seinen Geburtstag vergesse. Am liebsten würde er gar nicht darauf angesprochen werden. "Denn da haut's mir am Fahrrad die Kette raus."