Das täglich an der Rennstrecke verteilte "Red Bulletin" hob Sebastian Vettel als den Umwelt-Vorkämpfer der Formel 1 auf den Titel, widmete dessen Engagement für mehr Nachhaltigkeit sogar einen ganzen Comic. Und vor Beginn des Rennwochenendes zeigte sich der viermalige Weltmeister bereits bei einem seiner Lieblingsprojekte – einer blühenden Bienenwiese in Zeltweg. Im Vorjahr hatte der BioBienenApfel-Botschafter in der steirischen Gemeinde sein erstes Insektenhotel in Form eines Rennautos eröffnet, das bereits voll ausgebucht ist.

Jetzt präsentierte er seinen Bienenstock der Zukunft, der künftig mittels Sensoren beobachtet und kontrolliert werden kann. Die Technik dafür stammt von der Karl-Franzens-Universität Graz. Dieser einzigartige Bienenstock wurde vom Formel-1-Champion gemeinsam mit Volksschülern aus Zeltweg, Studenten aus Graz und dem Nachhaltigkeitskünstler Zimbo bemalt. Um auch die Öffentlichkeit auf das Engagement aufmerksam zu machen, ist Vettel am Wochenende im speziellen Bienen-Helmdesign unterwegs.

Der Aston-Martin-Pilot wird so immer mehr zum Vordenker und Mahner der Formel 1, die sich "Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit" selbst auf die Fahnen geheftet hat und bis 2030 komplett CO₂-neutral sein will. Dazu passt auch, dass er zuletzt in Silverstone ein paar Showrunden im Weltmeisterauto von Nigel Mansell, dem Williams-Renault FW14B, fuhr – mit aktuellem Hintergrund: Denn das Auto wurde so umgebaut und angepasst, dass Vettel mit synthetischem Sprit unterwegs sein konnte ...
Nachhaltige Kraftstoffe spielen für die Formel 1 eine wichtige Rolle, wie ein kürzlich vorgestellter Zwischenbericht betonte. Allerdings wird noch diskutiert, ob man sich auf synthetischen Kraftstoff – sogenannte "E-Fuels" – konzentrieren, oder als Konkurrenz eine parallele Entwicklung von Bio-Fuels aus Abfällen zulassen will. Auf jeden Fall soll das neue Benzin ab 2026 die Rennmotoren betreiben. Und es soll leicht für Straßenautos anzupassen sein, denn dort könnte natürlich ein deutlich größerer Effekt erzielt werden, zumindest weltweit.

Denn auch, wenn in Europa der Fokus im Moment komplett auf Elektromobilität liegt: Anderswo sieht das anders aus. In Afrika oder auch Mittel- und Südamerika etwa werden Autos mit Verbrennungsmotor noch Jahrzehnte unterwegs sein – was auch Vettel immer wieder betont: "Man muss realistisch bleiben. Es gibt Gebiete auf der Welt, wo Infrastruktur für Elektromobilität nicht so schnell aufgebaut werden kann. Da sind E-Fuels eine tolle Alternative – wie auch im Motorsport der Zukunft. Und für mein Gefühl könnte das auch schon deutlich früher als 2026 passieren."

Bei der Entwicklung des nachhaltigen Sprits arbeitet die Formel 1 mit der FIA, der Ölfirma "Aramco" sowie anderen Mineralölunternehmen, den Motorenherstellern und Teams zusammen. Das umweltfreundliche Benzin soll zuerst in den Nachwuchsklassen Formel 2 und Formel 3 eingeführt und erprobt werden.

Wobei der Benzinverbrauch bei weitem nicht der größte Teil des ökologischen Fußabdrucks ist, den die Formel 1 hinterlässt. Auf den Betrieb der Motoren entfällt nicht einmal ein Prozent des CO₂-Ausstoßes einer Saison – rechnet die Formel 1 vor. Die Verteilung: Etwa 45 Prozent der Emissionen entfallen auf die Logistik, also den Transport von Autos, Motoren, Boxenstopp-Equipment, Reifen und sonstigem Equipment für TV-Produktion oder Einrichtung des Paddock Clubs. Der zweite große Posten sind mit fast 28 Prozent die Reisen von Rennen zu Rennen. Der Tross, der mehr als 1000 Menschen umfasst, fliegt rund um die Welt und bezieht Hotels.

Knapp 20 Prozent des CO₂-Ausstoßes machen der Betrieb der Teamfabriken und der Einrichtungen der Formel 1 selbst aus.
Ein Punkt, an dem man bereits relativ gut dasteht, ist die Effizienz der Hybrid-Motoren. Sie erreichen inzwischen einen Wärmewirkungsgrad von mehr als 50 Prozent. Was im Klartext heißt, dass mehr als 50 Prozent der Energie aus dem Kraftstoff in Fortbewegung umgewandelt wird und nicht als Wärme verpufft.

Auch die Teams haben ihre Fabriken über die letzten Jahre umweltfreundlicher gestaltet. Mercedes etwa versorgt den Standort Brackley mit zu 100 Prozent erneuerbarer Energie, auch McLaren gilt als Vorreiter. Die Formel 1 macht es in ihren Büros in London genauso. Um effizienter zu reisen, wurden in den letzten Jahren die Frachtcontainer überarbeitet. Die Zusammenarbeit mit Rennstreckenbetreibern wird intensiviert, um die Events nachhaltiger zu machen, es sollen Möglichkeiten geschaffen werden, die Fans umweltfreundlicher an die Strecken zu bringen. Die Formel 1 will Einwegplastik von den Strecken verbannen, mehr recyceln und kompostieren. Vertragsverlängerungen mit Strecken will man an nachhaltige Konzepte knüpfen.

Dass es schwierig wird, den größten Punkt – Reisen und Logistik – umweltfreundlicher zu machen, ist aber klar. Vor allem, wenn man den Rennkalender weiter aufblasen will, immer mehr Überseerennen einbaut. Immerhin denkt man darüber nach, ab 2023 das umzusetzen, was Sebastian Vettel schon vor zwei Jahren gefordert hat: Ein bisschen mehr Logik in die Reiseplanung zu bringen. Auch wenn er betont, niemandem Vorschriften machen zu wollen, nur Denkanstöße zu liefern.
Aber von Imola nach Miami, dann zurück nach Europa und Monaco, weiter nach Baku und nach Montreal und dann wieder nach Europa, um im Oktober wieder in die USA nach Austin zu reisen – das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, wenn Umweltbewusstsein eine Rolle spielen soll ...