Zuerst das Heimspiel verloren – und dann auch noch die Nerven: Wie man bei Mercedes auf die unerwartete Niederlage beim britischen GP in Silverstone gegen Sebastian Vettel und Ferrari reagierte, zeigt vor allem eines: Bei den Silbernen steigt der interne Druck. Nach vier Jahren Dominanz hat man nun tatsächlich wieder einmal konstant harte Konkurrenz zu fürchten – und der Umgang damit ist nicht immer souverän.

Bei Lewis Hamilton, von Kimi Räikkönen in der ersten Runde des Rennens durch einen Verbremser des Finnen umgedreht und erst einmal ans Ende des Feldes befördert, ist ja noch am ehesten nachzuvollziehen, dass er im ersten Moment, direkt nach dem Rennen, noch emotional aufgeladen, mit seiner Bemerkung "interessante Taktik, die die anderen da gefahren sind", Ferrarri und Räikkönen praktisch einen absichtlichen Abschuss unterstellte. Vor allem, weil er das ja dann später, auf der Pressekonferenz und vor den TV-Kameras wieder zurücknahm, auf die klare Frage, ob er hinter dem Zwischenfall Absicht vermute, mit einem ebenso klaren "Nein" antwortete.

Der Wiener Schmäh

Und dass Niki Lauda erst einmal lospoltert, wenn er das Gefühl hat, seinem besonderen Schützling Hamilton sei Unrecht geschehen, ist ja auch nichts Neues. Dass sich aber Mercedes-Teamchef Toto Wolff davon anstecken lässt und erst ein paar Mal, angeblich seinen technischen Direktor James Allison zitierend, den Satz von "entweder komplettem Unvermögen bei Ferrari und Räikkönen ode Absicht", darauf könne sich jeder nun selbst seinen Reim machen, in die Welt bringt, und damit die entsprechenden Verschwörungstheorien, das ist schon ungewöhnlich. Auch wenn auch Wolff, direkt auf die Äußerung angesprochen, dann wieder versuchte, einen Rückzieher zu machen, sich auf Wiener Schmäh und darauf herausredete, er habe das doch eher scherzhaft gemeint.

Tatsache ist: Mercedes gerät zwei Wochen vor dem Heimrennen der Stuttgarter auf dem Hockenheimring immer mehr unter Druck. Einiges spricht dafür, dass Ferrari immer weiter auf dem Vormarsch ist – und sich die Silbernen schwertun, noch dagegen zu halten. Als Ferrari-Technikchef Mattia Binotto zu Saisonbeginn erklärte, „unser Auto ist das, das das größere Entwicklungspotenzial hat, nach ein paar Rennen, wenn wir alles sortiert haben, wohl auch bei Mercedes zu dem Schluss: Wirklich sicher gewonnen hätte Lewis Hamilton auch ohne den Abschuss nicht, speziell nicht nach seinem schlechten Start, durch den er ja von Anfang an hinter Vettel gelegen hätte, nie den Vorteil der "freien Fahrt" genossen hätte.

Baustelle "Starts"

Die Starts sind sowieso eine der Baustellen, wo Mercedes offenbar ins Hintertreffen geraten ist: In den letzten Rennen seit Kanada kamen Hamilton und Bottas im Schnitt immer eher schlechter weg als Vettel und Räikkönen. . "Sie hatten jedes Mal mit beiden Autos bessere Starts als wir. Das hat einen technischen Hintergrund", heißt es aus Ingenieurskreisen. Die entscheidenden Parameter für Wolff: "Motorleistung, Kupplung, Bedienbarkeit, Bedienung durch den Fahrer."

Dann ist da die Motorensituation: Alle Daten weisen darauf hin, dass Ferrari in Sachen Leistung inzwischen ebenbürtig ist, vielleicht sogar ganz leicht vorne liegt. Auch nach den von der FIA verlangten Änderungen bei Ferrari in Sachen Batterie-Management. Wobei man bei Mercedes intern sowieso immer noch grummelt, man habe seine Zweifel, ob da wirklich alles legal sei bei der Konkurrenz.

In Sachen Chassis schien Mercedes in Österreich mit den dort erstmals eingesetzten Updates einen deutlichen Schritt gemacht zu haben, doch jetzt in Silverstone zog Ferrari mit einem eigenen neuen Aeropaket nach, "und das hat alles von Anfang an über das ganze Wochenende sehr gut funktioniert", wie Sebastian Vettel bestätigte, der aus dem Triumph viel Hoffnung für die Zukunft schöpfte: "Für uns war das heute extrem wichtig, weil es eine Strecke ist, auf der wir in der Vergangenheit oft Probleme hatten. Das zeigt, dass unser Auto dieses Jahr überall gut ist."