Sie haben zu Beginn des Jahres recht salopp gemeint, wenn Red Bull ein Auto gebaut hat, mit dem man Weltmeister werden kann, na dann müsse man eben Weltmeister werden.
SEBASTIAN VETTEL: Sagen wir so: Wir haben nun die reelle Chance und es würde wohl nicht für uns sprechen, wenn wir sie nicht wahrnehmen würden.

Es könnte Ihnen allerdings mit Mark Webber der eigene Teamkollege dazwischen funken?
VETTEL: Aber wir arbeiten beide in eine Richtung. Und das ist gut fürs Team. Wir haben gemeinsam das Ziel, Weltmeister zu werden. In der Formel 1 war es immer so, dass du zu allererst den Teamkollegen schlagen musst. Das ist bei mir nicht anders.

Führt das nicht automatisch zu internen Spannungen?
VETTEL (überlegt gut): Für den WM-Titel ist jeder ein Gegner. Es wäre gelogen, zu sagen, dass es keine Anspannung gibt.

Aber Red Bull sollte nicht bis zum letzten Rennen warten, sich auf einen von euch beiden als Nummer eins festzulegen?
VETTEL: Es ist schwierig, für so etwas den richtigen Zeitpunkt zu finden. Aber, dass man es besser anders machen hätte sollen, wird ohnehin nur relevant, wenn am Ende Punkte fehlen.

In Deutschland waren Sie zuerst der Baby-Schumi, dann der Bubi-Schumi. Nun sind Sie, rein statistisch, nach 36 Grand Prix sogar besser als Michael Schumacher zum gleichen Zeitpunkt.
VETTEL (lacht): Ach so, bin ich das? Die Vergleiche mit Michael wird es immer geben, weil er für alles steht, was Deutschland mit der Formel 1 verbindet. Aber was Michael Schumacher erreicht hat, ist einzigartig. Daher sehe ich derartige Vergleiche auch besonders kritisch. Wenn ich nach 200 Grand Prix noch immer besser als Michael wäre - das wäre dann richtig gut, oder?

Haben Sie sich von Schumacher etwas abschauen können?
VETTEL: Wie gesagt, wer Parallelen ziehen kann, möchte, muss, der soll das von mir aus tun. Und natürlich kann man von einem Michael Schumacher sehr viel lernen. Aber jeder muss seinen eigenen Weg finden, muss sein eigener Typ sein. Jemanden zu kopieren, ist eher Schauspielerei, dafür habe ich kein Talent.

Wenn man Google mit dem Namen Sebastian Vettel gefüttert hat, wurden 2,6 Millionen Einträge ausgewiesen. Nicht so schlecht für jemanden, der gerade 22 Jahre wurde?
VETTEL (lacht wieder herzlich auf): Wissen Sie, ich google mich selbst nicht so oft. Das Internet hat natürlich sehr viele Vorteile, aber auch eine Menge Nachteile. Einer der gravierendsten Nachteile ist sicher der, dass man unglaublich viel Zeit vor dem Internet vernichtet.

Wie gehen Sie eigentlich mit dem Rummel um, der inzwischen auf Schritt und Tritt um Ihre Person herrscht?
VETTEL: Manchmal ist das ganz lustig, oft nehme ich es aber gar nicht so richtig als Rummel wahr. Das Barometer richtet sich doch zumeist nach dem letzten Rennergebnis. Und ich bin mir sehr wohl bewusst, dass es vom Helden zum Idioten oft sehr, sehr schnell gehen kann.

Nach Ihrem Sieg in England titelte eine deutsche Zeitung: "Wie Schumacher, nur nett". Ist das Ihre Taktik, sich auf diese Weise von der sterilen und arroganten Formel 1 abzuheben?
VETTEL: Ich habe keinen Benimmkurs besucht, wenn Sie das meinen. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich, so wie ich bin, ganz gut über die Runden komme. Es ist doch von außen schwer zu sagen, ob jemand nett ist oder ob er arrogant ist. Aber man kann es eben nicht immer, überall und jedem Menschen recht machen.

Nicht nett zu sein, können Sie das überhaupt?
VETTEL: Ich habe diesbezüglich ein Glück. Ich habe beim Arbeiten einen Helm auf, da sieht man nicht jedes Gesicht von mir. Oh doch, wenn es notwendig ist, kann ich auch durchgreifen. Dann kann ich sehr deutlich zu verstehen geben, wo es lang geht. Und deswegen muss man noch lange kein A. . . . loch sein.

Haben Sie inzwischen schon einen Manager gefunden?
VETTEL: Nein, habe ich nicht.

Weil viele der Manager, die in der Formel 1 herumstolzieren, in ihrem Aktenkoffer "ohnehin nur den Reisepass und eine Wurstsemmel drinnen haben", wie es Gerhard Berger einmal beschrieben hat?
VETTEL: Es gab und gibt natürlich Piloten, bei denen Manager von Nöten waren, weil Sie anders nicht weitergekommen wären in der Formel 1. Ich hatte hier enormes Glück, weil ich von Anfang an bei Red Bull, später auch bei BMW gut aufgehoben war. Ich hatte den Helmut Marko (graue Eminenz und Talente-Scout bei Red Bull, Anm.) und den Doktor Theissen (BMW-Direktor, Anm.) die auf mich geschaut haben. Daher hatte ich nie wirklich den Bedarf nach einem Manager.

Von den diversen Zeitungen wurden Sie zuletzt wieder immer häufiger und vehementer zu Ferrari verschachert. Haben wir hier etwas versäumt?
VETTEL: Nein, nein, keine Sorge. Ich habe 2008 gerade mal ein Rennen gewonnen gehabt und dem Felipe Massa ist es im gleichen Rennen bei Ferrari nicht so gut gegangen, schon bin ich im Ferrari-Cockpit gesessen. Dass so ein Stuss verbreitet wird, gehört zur Formel 1 dazu.

Apropos Stuss. Wie haben Sie denn die ganzen politischen Machtspiele der Formel 1 in den letzten Wochen verfolgt?
VETTEL: Soll ich's ehrlich sagen? Mir war das wurscht. Ich lege den Fokus auf das, was mein Job ist, auf das Autofahren.