Herr Lauda, können Sie uns aus der Sicht des Fachmannes erklären, warum Red Bull so überlegen ist?
NIKI LAUDA: Ja, mit einem Satz. Weil Adrian Newey (Chef-Designer von Red Bull, Anm.) das mit Abstand beste Gesamtpaket geschnürt hat. Newey hat sich rechtzeitiger als alle anderen das Reglement überlegt und dabei alles richtig gemacht.

Worauf ist es im Detail besonders angekommen?
LAUDA: Auf die richtige Gewichtsverteilung am Auto, dass die schmäleren Vorderreifen nicht überhitzen. Und auf eine einhundertzehnprozentige Aerodynamik. Eine Aerodynamik, die so geil ist, dass Red Bull vorige Woche in Barcelona in der Kurve neun als einziges Auto voll durchfahren konnte. Dieser perfekte Anpressdruck macht sie so schnell.

Und warum, bitteschön, führt Red Bull die Weltmeisterschaft nicht an?
LAUDA: Auch das ist einfach erklärt. Weil Adrian Newey mit allen Dingen ans Limit geht. Das Risiko, dass ein Auto dadurch nicht so standfest ist, ist natürlich hoch.

Standfest und schnell, hätte das funktioniert?
LAUDA: Red Bull ist seit Wochen fünf, sechs, bis zu sieben Zehntel schneller als alle anderen. Drei Zehntel hätten auch genügt. Und man hätte mehr Wert auf dickere, festere Teile, auf besser belüftete Bremsen und so weiter legen können. Man hätte sich mehr Luft lassen können.

Was muss bzw. kann Red Bull nun machen?
LAUDA: Leichter gesagt als getan. Sie werden alles das, wo Defekte passieren, korrigieren. Sie werden in der zweiten Saisonhälfte mit der Haltbarkeit des Autos keine Probleme mehr haben.

...und sind damit die logischen Weltmeister?
LAUDA: Aus heutiger Sicht ja. Im Augenblick behindern sie sich bei Red Bull höchstens selbst. Durch eine unvorhergesehene Dominanz von Mark Webber. Webber hat sich seit dem Vorjahr derart entwickelt, dass er im Moment fast unschlagbar ist. Wenn alles normal läuft, gewinnt er auch heute in Monaco.

Meinen Sie nicht, dass Red Bull ein Sebastian Vettel als Weltmeister lieber wäre?
LAUDA (lacht): Das Problem von Vettel ist, dass er auf einmal den größten Feind im eigenen Team hat. Wie damals bei Alain Prost und mir bei McLaren.

Wird Red Bull eingreifen?
LAUDA: Wenn es nicht notwendig ist, sicher nicht. Sie lassen die beiden gegeneinander fahren, wie sie wollen. Der Didi (Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz, Anm.) ist für Teamorder nicht zu haben.

Sie haben Michael Schumacher und dessen Comeback vom ersten Tag an verteidigt. Hat sich das nicht doch etwas relativiert?
LAUDA: Wieso, bitte? Schumacher ist dort, wo ich ihn zum heutigen Zeitpunkt immer gesehen habe. Das Problem ist das Auto. Und damit wir uns nicht falsch verstehen, Mercedes baut kein Auto für den Schumacher alleine. Das Auto entwickeln Schumacher und Nico Rosberg gemeinsam. Das Dilemma ist nur, dass Red Bull ja auch ständig weiter- und weiterentwickelt.