Sie sind als sehr geradliniger Typ bekannt. Macht Ihnen das das Leben in der Formel 1 derzeit schwerer oder leichter?
MARK WEBBER: Es liegt eine große Chance vor mir, etwas Spezielles zu schaffen. Jeder ist nur auf eine Sache fokussiert, das ist ganz klar. Platz zwei ist nicht wichtig - für niemanden von uns. Es bereitet mir keine schlaflosen Nächte. Es ist eine aufregende Situation, aber ich bin in dieser Situation, weil ich meine Leistung gebracht habe und Rennen gewonnen habe - aus keinem anderen Grund.

Sie haben hart für Ihr Standing im Team arbeiten müssen. Fühlen Sie sich jetzt so behandelt, wie es Ihnen zusteht?
WEBBER: Ja, es ist ganz gut. Es ist nicht einfach, wenn man zwei Fahrer vorne hat. Die Wahrnehmung ist offensichtlich, dass Sebastian (Vettel) 'boom, boom, boom' der neue Star ist. Das ist normal, dorthin geht die Emotion. Ich bin der Alte. Wenn ich 24 wäre, wäre es vielleicht anders. Aber das ist die Natur des Menschen, das sind die Medien, der Sport. Ich habe kein Problem damit, wir sind auch in einer anderen Phase unserer Karriere.

Könnte es dem Team am Ende auf den Kopf fallen, dass es keine klare, gemeinsame Teamstrategie gegeben hat?
WEBBER: Ich bin niemand, der zu sehr in die Vergangenheit schaut. Wir haben gewusst, dass es zwischen Sebastian und mir eng werden wird. Ich war in der WM aus verschiedenen Gründen vorne, er war es nicht. Jetzt ist jemand anderer in Führung. Es ist schwierig, wenn sich zwei gleichwertige Fahrer gegenseitig Punkte wegnehmen. Ob wir es richtig gemacht haben, sehen wir am Montag nach Abu Dhabi.

Was gibt Ihnen die Zuversicht, dass Sie die WM noch einmal herumreißen können?
WEBBER: (Fernando) Alonso ist in der besten Position, ganz klar. Er ist der einzige, der die WM schon dieses Wochenende entscheiden kann. Aber irgendein Ausrutscher von ihm oder Ferrari, und wir sind da. Es gibt keinen Fahrer, der ein perfektes Jahr gehabt hat. Ich habe noch niemanden in meinem Leben getroffen, der perfekt ist.

Sie kommen sehr gut mit Alonso aus. Was mögen Sie an ihm?
WEBBER: Er ist der Bezugspunkt auf der Strecke. Danach muss man streben. Es war beeindruckend, wie er die WM gegen Michael Schumacher gewonnen hat, damals noch im Renault (2005 und 2006/Anm.). Wir kommen aus einem ähnlichen Umfeld, wir sind gegeneinander gefahren. Er hat viel erreicht - aber nichts, das er nicht verdient hätte.

Wenn Sie einer Ihrer Gegner wären, welche Ihrer Stärken würden Sie am meisten fürchten?
WEBBER: Dass er niemals aufgibt. Es ist nicht schön, gegen so jemanden zu kämpfen.

Verschafft es Ihnen Genugtuung, dass Sie Ihre Kritiker in diesem Jahr eines Besseren belehrt haben?
WEBBER: Absolut. Ich weiß nicht, was sie noch alles wollen. Es war ein sehr gutes Jahr. Je höher man steigt, desto dünner wird die Luft, es geht aber auch weiter hinunter. Ich habe nichts gegen Kritik, die ist gut für mich. Ich habe eine dicke Haut. Wenn dir jeder sagt, dass du großartig bist, hilft dir das nicht viel weiter.

Haben Sie eine Erklärung dafür, dass es in dieser Saison so viel besser läuft als in den vergangenen Jahren?
WEBBER: Im Vorjahr hat mich meine Beinoperation ein wenig beeinträchtigt, heuer fühle ich mich viel frischer. Wir haben ein dominantes Auto. Ich hätte es geliebt, dieses Auto schon mit 24 gehabt zu haben. Ich hatte es nicht. Es ist nicht selbstverständlich, aber ich habe es mir verdient, jetzt davon zu profitieren. Ich habe hart gearbeitet, um in dieser Situation zu sein. Ich schulde niemandem etwas. Es ist unglaublich, was man aus sich selbst herausholen kann, wenn man es muss. Das habe ich heuer getan.

Sie haben sehr früh einen neuen Vertrag für 2011 unterschrieben. Wie wichtig ist Ihnen das Vertrauen, das Ihnen das Team dadurch zum Ausdruck gebracht hat?
WEBBER: Nicht sehr, weil sich die Dinge schnell ändern können. Ich warte nicht auf ein Votum des Teams, weil ich einen guten Job mache. Ich weiß, dass ich ihn mache. Daher brauche ich kein zusätzliches Vertrauen von Menschen, die sagen: 'Okay, okay, du hast es dir verdient, du darfst noch einmal einsteigen.'

Haben Sie jemals - wenn auch nur für eine Sekunde - daran gedacht, nach einem WM-Titel zurückzutreten?
WEBBER: Ich habe das Gefühl, dass ich immer noch gut fahre. Ich kann auch nächstes Jahr einen guten Job machen. Das Wichtigste ist, dass ich das Rennfahren genieße. Ich genieße es, also bin ich weiterhin hier.

Es klingt komisch nach Ihren vier Grand-Prix-Siegen in dieser Saison, aber fühlen Sie sich immer noch unterschätzt?
WEBBER: Vielleicht tun manche das. Ich weiß nicht, was man noch alles tun muss, außer die WM anzuführen. Die große Sache in den Augen der Menschen ist das Alter. Ich bin unterschätzt, weil ich Sachen schaffe, die ich vielleicht nicht mehr schaffen sollte. Darüber wundern sich die Leute. 'Warum schafft er das? Wie macht er das? Er ist nicht so speziell, er ist nicht so gut.' Wenn ich nicht so speziell bin, dann ist es Vettel auch nicht.