Was stimmt Sie zuversichtlich, dass Red Bull der angestrebte
Schritt nach vorne in den kommenden Rennen gelingen wird?

HELMUT MARKO: Wir sind optimistischer, weil wir den Motor in einigen
Bereichen noch nicht optimal nützen. Wir wissen, bis zu welchem Grad
der Motor funktioniert und was noch nicht funktioniert. Wir machen
Fortschritte. Von den Platzierungen, die Ricciardo bisher de facto
geholt hat, wäre er in der WM fast auf Hamilton-Niveau (Lewis
Hamilton ist im Mercedes Zweiter/Anm.). So schlecht sind wir nicht.
Nur kommen zur mangelnden Motorperformance auch noch alle anderen
Sachen dazu, etwa die Disqualifikation in Australien. Aber wir
kämpfen bis zum Schluss.

Kann man im Heimrennen im Juni in Spielberg schon aus
eigener Kraft um den Sieg mitfahren?

MARKO: Das hängt alles von der Motorentwicklung ab. Wir sind
nicht diejenigen, die das maßgeblich entscheiden können. Von der
Fahrwerksseite haben wir unseren Part getan. Aber Spielberg geht
bergauf. Und vielleicht tut sich auch in puncto Lautstärke etwas,
dass bis dahin schon ein besserer Motorensound da ist. Das ist ein
Teil der Formel 1. Wir machen keine Formel für Ingenieure, sondern
etwas für die Fans.

Das heißt, aus Ihrer Sicht kann und soll in diesem Bereich
etwas passieren?

MARKO: Es muss. Es geht um die Akzeptanz bei den Fans. Mercedes
macht das ja nicht, weil sie Formel-1-geil sind, sondern damit sie
ihr Altherren-Image wegbekommen. Wir machen es, damit wir Dosen
verkaufen. Und Ferrari verkauft seine Autos. Letztlich ist die
Formel 1 ein Marketing-Tool. Also muss man auf den achten, der das
alles trägt und finanziert.

Es wäre also ein Schritt der Formel 1, um sich selbst zu
legitimieren?

MARKO: Wenn der Sport nur noch die halben Zuschauer hat, wenn
die Fernsehquoten permanent sinken, dann wird jeder Finanzer, wenn
er das Budget vorgelegt bekommt, entsprechend reagieren. Es kommen
aber noch andere Dinge dazu: Wo gibt es zum Beispiel im Sommer ein
Fußballspiel um 14.00 Uhr? Da muss man flexibler werden.

Was kann man in puncto Motorenlautstärke konkret tun?

MARKO: Es ist schwierig mit dem Turbolader, aber es gibt
technische Möglichkeiten. Es wird daran gearbeitet. Natürlich will
Mercedes seinen Vorsprung nicht verlieren, aber irgendwann muss man
über den Tellerrand hinausschauen."

Sie waren zuletzt mehrmals in Frankreich. Was ist bei
Renault in die falsche Richtung gelaufen?

MARKO: Wir haben viele Fehler erkannt. Das, was uns geärgert
hat, ist, dass man nicht ganz offen zu uns war. Jetzt gibt es eine
konstruktive Zusammenarbeit. Wir arbeiten hart mit Renault und Toro
Rosso, das ist auch eine Kapazitätsfrage. Der Grundfehler war, dass
Renault viel zu spät angefangen hat. Ferrari trifft das aber
genauso. Dass wir uns da mit (Luca di) Montezemolo unterhalten, ist
auch klar - ohne den Niki (Lauda), auch wenn ihm das nicht gefällt.

Wie viel von den derzeit fehlenden 80 PS kann man
realistischerweise aufholen?

MARKO: Wir sind es aus den vergangenen Jahren gewohnt, auch mit
weniger PS mitzuhalten, wenn man bei anderen Lösungen clever ist.
Aber 80 sind zu viel - vor allem, wenn man auch bei der Fahrbarkeit
deutlich schlechter ist. Und es geht weiter: Mercedes kommt mit 6 kg
Benzin ins Ziel, und wir messen im Grammbereich. Sie haben mehr
Leistung, eine bessere Fahrbarkeit und weniger Verbrauch.

Haben Sie das Gefühl, dass Red Bull zusehends als
österreichisches Team und in Spielberg auch als Lokalmatador
wahrgenommen wird?

MARKO: Da ist schon eine sehr breite Akzeptanz, auf jeden Fall.
Das war nicht immer so. Das hat sich in den vergangenen Jahren
sukzessive gesteigert.

Trotz allem gibt es keinen österreichischen Fahrer in der
Formel 1. Können Sie es sich vorstellen, dass in näherer Zukunft
einer für das Nachwuchsprogramm von Red Bull interessant wird?

MARKO: Unser Anspruch ist, einen siegfähigen Grand-Prix-Fahrer
zu finden. Wenn wir nicht das Rohmaterial haben, können wir daraus
auch nichts formen. Einen Österreicher in die Formel 1 zu bringen,
wäre überhaupt kein Problem. Es bringt uns aber nichts, wenn er
hinten fährt. Da sehe ich momentan nichts Konkretes. Bei Lucas Auer
muss man schauen, wie seine Saison (Formel 3/Anm.) läuft. Bei den
Tests ist er nicht ganz vorne, aber vielleicht blufft er auch nur.

Bei einer guten Saison könnte er ein Thema sein?

MARKO: Sie sehen ja, wie ich über die Details informiert bin.
Aber wir beobachten weltweit. Nur einen Österreicher zu haben, der
nicht siegfähig ist, bringt nichts. Leute wie der Russe (Debütant
Daniil Kwjat im Toro Rosso/Anm.) sind eine Augenweide. Und was war
bei Ricciardo? Auch der hat viele Kritiker gehabt, die Fans haben
(Kimi) Räikkönen gefordert. Aber Gott sei Dank gibt es bei Red Bull
Leute, die Visionen und Mut haben.