Sebastian Vettel hat auch Gerhard Berger überzeugt. Der Ex-Rennfahrer hält den Deutschen mittlerweile für den besten Piloten der Formel 1 - noch vor Fernando Alonso. Berger traut seinem früheren Toro-Rosso-Schützling auch die sieben WM-Titel von Landsmann Michael Schumacher zu.

In Indien steht am Wochenende erneut die Krönung von Sebastian Vettel bevor. War es absehbar, dass er die zweite Saisonhälfte derart dominiert?

Berger: "Man hat am Anfang der Saison gesehen, dass einige Sachen nicht optimal laufen. Einiges war unrund, die Ergebnisse waren aber nicht schlecht. Man hat von Beginn an gesehen, dass das Potenzial da ist. Vorhersagen sind aber immer schwierig."

Was macht Vettel derzeit so unschlagbar?

Berger: "Das ist nicht nur derzeit, es geht um die letzten drei Jahre. Es ist das Paket aus dem Red-Bull-Team, Designer Adrian Newey und Sebastian Vettel. Sebastian hat sich entwickelt. Er ist jetzt ganz klar der beste Fahrer der Formel 1."

Fernando Alonso?

Berger: "Früher habe ich Vettel immer hinter Alonso gereiht. Alonso ist derzeit aber zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Dadurch ist er instabil geworden. Fahrerisch holt er für Ferrari immer noch die Kohlen aus dem Feuer, da ist er absolut top. Durch seine Aussagen sorgt er aber für Wirbel. Er bringt immer wieder Unruhe hinein, dadurch ist er nicht mit der Weiterentwicklung des Autos beschäftigt. Das drückt für mich Unsicherheit aus, er fängt zu nerverln an. Alonso läuft die Zeit davon. Während er mit sich selbst beschäftigt ist, holt Vettel einen Titel nach dem anderen."

Könnte sich das kommende Saison mit dem neuen Reglement ändern? Ist die aktuelle Vormachtstellung von Red Bull in Gefahr?

Berger: "Ich denke eher, das Gegenteil könnte der Fall sein. Newey hat mit dem Turbomotor bereits Erfahrung (aus den 80er-Jahren/Anm.). Man weiß zwar nicht, welcher Motor der beste und stabilste sein wird, da hätte auch Mercedes gute Karten, aber Red Bull hat ganz klar das beste Paket. Beim Team und beim Chassis haben sie die besten Voraussetzungen. Solange die Mannschaft beisammen bleibt, sind sie schwer zu biegen. Es könnte ein weiterer Vettel-Zyklus werden."

Welche Vorzüge hat Vettel gegenüber anderen Piloten?

Berger: "Man muss sich nur seine Starts ansehen, auch hinter dem Safety Car, oder seine Quali-Leistungen. Das bringt er immer alles hin. Das erinnert mich an Ayrton Senna damals, wenn immer alles stimmt - die Vorbereitung, die Taktik, die Leistung, die er auf dem Punkt bringt. Das ist beeindruckend."

Vettel ist ein Perfektionist. Wo kann er bei sich selbst noch Bereiche finden, in denen er sich verbessern kann?

Berger: "Er ist auf dem Höhepunkt jetzt. Sein Vorteil ist, dass der Höhepunkt auch sechs Jahre andauern kann. Er ist ja erst 26."

Er kann mehrere Rekorde brechen, auch schon in dieser Saison. Die meisten Saisonsiege, die meisten Siege hintereinander, die meisten WM-Punkte. Trauen Sie ihm das alles zu?

Berger: "Absolut, das traue ich ihm alles zu. Er konzentriert sich darauf, diese Rekorde treiben ihn an. Er überlässt nichts dem Zufall. Er will überall der Beste sein, das war ganz früher schon zu sehen, im Kart-Bereich. Wichtig ist aber, dass er sein "Low Profile" bewahrt, dass er auf dem Boden bleibt. Dadurch kann er die Sympathien behalten. Das ist nicht einfach, wenn man alles gewinnt. Aber das alles traue ich ihm zu."

Auch die sieben WM-Titel von Michael Schumacher?

Berger: "Sieben Titel wären unglaublich, aber das könnte er hinbekommen. Er hat die Voraussetzungen, das zu erreichen. In der Formel 1 kommt aber immer alles anders als man denkt. Das ist kein Selbstläufer, man benötigt auch die entsprechende Portion Glück."

In dieser Saison wird sich das Kräfteverhältnis aber nicht mehr großartig ändern.

Berger: "Nein, das bleibt alles so wie bisher. Man muss auch das Team loben - egal ob ein Helmut Marko, Newey oder Horner - die machen alle einen sensationellen Job. Das Auto ist standfest, es startet gut, es ist gut beim Reifenverschleiß, das Team ist bei den Boxenstopps am besten. Es ist nicht nur Vettel, es ist das ganze Team, daher ein großes Lob."

Wie sieht die Saisonbilanz bei der Konkurrenz aus?

Berger: "Mercedes hat einen Schritt nach vorne gemacht. Es hat so ausgesehen, als ob sie die zweite Kraft werden könnten, im Moment schwächeln sie ein bisschen. Lotus gefällt mir narrisch gut, die haben sich stark weiterentwickelt, vor allem Romain Grosjean. Ferrari hat wieder ein Jahr nicht das gebracht, was sie erwartet haben."

Ganz im Gegensatz zu Ihrem Neffen Lucas Auer in der Formel-3-EM. Wie zufrieden sind Sie mit seiner ersten Saison?

Berger: "Jetzt ist er soweit, dass er ein echter Rennfahrer ist. Die Ausbildungsphase hat er hinter sich, nächstes Jahr muss er Leistung abliefern. Da kommt es drauf an, ob er Erster oder Zweiter in der Meisterschaft werden kann, ob er vorne fahren kann. Das nächste Jahr ist ein sehr entscheidendes."

Wenn er es positiv absolviert?

Berger: "Er ist ein absoluter Kandidat, bei dem es weitergehen kann nach oben. Er hat eine gute Ausgangsposition. In diesem Sport geht es aber sehr schnell. Man wird schnell als der nächste Formel-1-Pilot gesehen. Da muss man aber vorsichtig sein. Dieser Weg ist sehr hart und schwierig. Er muss jetzt den nächsten Schritt machen."