Wie viel Geld mussten Sie bei Mercedes eigentlich locker machen, um mit einem Sebastian Vettel zu verhandeln zu beginnen?

NIKI LAUDA: Wenn Sie die "Bild-Zeitung" genau lesen, wie jeder normale Mensch, steht davon nichts drinnen. Da steht nirgends, dass ich dem Vettel ein Angebot gemacht hätte. Damit ist die Geschichte erledigt. Warum? Weil ich mit Hamilton und Rosberg zwei Super-Piloten habe. Besser kannst du dich heute in der Formel 1 nicht aufstellen. Außerdem weiß jeder, dass Vettel bei Red Bull einen Vertrag bis in alle Ewigkeit hat.

Als Sie bei Mercedes angetreten sind, habe Sie gesagt, dass Sie bei den Rennen nicht an vorderster Front stehen werden. Genau das tun Sie nun aber?

LAUDA: Auch falsch. Habe ich eine Teamkleidung an? Stehe ich vorne an der Boxenmauer? Alles falsch. Sämtliche Entscheidungen werden ausschließlich von jenen Leuten getroffen, die ich zu verantworten habe.

Sie haben bis heute in kein Rennen eingegriffen?

LAUDA: Nein. Null. Kann und will ich auch nicht, weil ich dafür kein Detailwissen habe.

Aber Red Bull stichelt ganz gerne, dass Mercedes mit dem Lauda, dem Wolff (Motorsportchef Toto Wolff, Anm.) und dem Ross Brawn (Teamchef, Anm.) drei Verantwortliche habe und alle drei würden etwas anderes sagen?

LAUDA (lacht): Dass der Marko (Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko, Anm.) gerne stichelt, hat er halt so in sich. Die Arbeit bei Mercedes ist klar aufgeteilt und definiert. Wir fahren auch intern in eine Richtung. Mich fasziniert es nach wie vor, wie viel Schwachsinn in diesem Formel-1-Fahrerlager verzapft wird.

Sie müssen dem Mercedes-Vorstand direkt Rechenschaft legen. Was konnten Sie seit Saisonbeginn alles berichten?

LAUDA: Das ist relativ einfach. Wir haben ein Board, inklusive drei Vorstände. Dort diskutieren wir alles und kommen auf schnellstem Weg zu Lösungen.

Ist man zufrieden mit der bisherigen Entwicklung?

LAUDA: Zufrieden ist man nie im Leben. Darf man auch nicht sein. Aber unser Start, dort, wo Mercedes letztes Jahr aufgehört hat, war kein schlechter. Wir sind bei den Top-Teams dabei.

Kann Mercedes schon aus eigener Kraft gewinnen?

LAUDA: Das weiß leider keiner. Jedes Rennen ist aufgrund der Reifensituation eine Überraschung. In die eine, oder in die andere Richtung.

Sie gelten als einer der größten Kritiker der Pirelli-Reifen. Haben Sie versucht, hier irgendwie Einfluss zu nehmen?

LAUDA: Wir arbeiten, wie alle anderen Teams, sehr eng und auch sehr gut mit Pirelli zusammen. Es sind heute eben andere Kriterien gefragt. Früher bist du Vollgas gefahren und der Schnellste und Beste hat gewonnen. Heute muss ein Fahrer in erster Linie lernen, wie man mit diesen Reifen am besten und schnellsten durchs Rennen kommt.

Warum soll ich mir als Kunde Pirelli-Reifen kaufen, wenn ich in der Formel 1 jede Woche höre, wie schnell sie kaputt gehen?

LAUDA: Ich kann nicht für Pirelli sprechen. Aber Sie haben natürlich recht mit Ihrer Frage. Das Problem ist, hier reden zu viele Leute mit und wollen auf Pirelli Einfluss nehmen.

Thema Reifen abgehakt. Vor drei Wochen in Bahrain waren die Tribünen gähnend leer. Hat es die Formel 1 mit ihrer Ost-Expansion übertrieben?

LAUDA: Nein. Denn du brauchst als Team 20 Rennen, damit sich deine Einnahmen und Ausgaben einigermaßen in Balance halten. Dann ist die Frage, wer will diese Rennen veranstalten? Potenzial ist immer noch da. Und das ist das einzige, was Bernie Ecclestone macht. Er verteilt diese Rennen entsprechend.

. . . nur eben mehr an Asien, wo man ihm das Doppelte zahlt.

LAUDA: Weil es auch teurer ist, den ganzen Zirkus nach Asien zu bringen, als nach Spielberg.

Aber fährt die Formel 1 nicht lieber in Europa, wo 100.000 Leute an der Strecke sitzen?

LAUDA: Wenn man das Wirtschaftliche in Griff bekommt. Was hilft es mir, wenn sich ein Nürburgring mit 350 Millionen Schulden verabschiedet? Wenn da und dort alles zusammenbricht. Ich bin neugierig auf Spanien. Die Leute können sich das nicht mehr leisten. Die Formel 1 ist genauso abhängig von der Weltwirtschaft. Und speziell in Asien gibt es eben Länder, die Europas Probleme im Moment nicht haben.

Die Diskussion einer Frau in einem Formel-1-Auto ist zuletzt wieder lauter und lauter geworden. Würden Sie eine Frau in den Mercedes setzen?

LAUDA: Ja, natürlich.

Wenn sich eine dafür anbieten würde?

LAUDA: Ich kenne mich in meinem Alter schon ganz gut aus, wie Frauen funktionieren. Warum sollen Frauen also gegen uns "Dodeln" von einfach gestrickten Männern einen Nachteil haben? Warum als Rennfahrerin noch kaum eine Frau ihr Talent und ihr Ego entsprechend umgesetzt hat, ist mir ein Rätsel.

Noch einmal zurück zum Anfang. Wie argumentiert man in einem Konzern wie Mercedes in Zeiten von Krise, Kündigungen, Sparkursen die Formel 1?

LAUDA: Dass es zu einer Automarke gehören kann, sich auf der Rennstrecke zu messen und seinen Mitarbeitern und Kunden zu beweisen.