So viele unbekannte Strecken wie in diesem Jahr gab es in der Formel 1 schon ewig nicht mehr: Die Corona-Krise sorgte für einige „Notlösungen“ im Kalender, die zwar bei den Fahrern oft gut ankommen, die Teams aber vor zusätzliche Probleme stellen: Ob Mugello, der Nürburgring, wo 2013 zuletzt gefahren wurde, jetzt die Premiere in Portimao in Portugal oder nächste Woche die Rückkehr nach Imola, wo 2006 der letzte Grand Prix ausgetragen wurde – das Problem ist immer das gleiche: Man hat keine oder zumindest nur völlig veraltete Daten.

Umso wichtiger, sich zu Hause im Werk optimal vorbereiten zu können: Per Simulator, in dem auch der Fahrer schon einmal trainieren kann – und per umfangreichen Computersimulationen für die Ingenieure. Der sogenannte „Driver in Loop“-Simulator (DiL) ist dabei die virtuelle Teststrecke, Auto und Rennstrecken werden dabei unglaublich detailliert nachgebildet, um auf diese Weise das Fahrzeug weiterzuentwickeln, das richtige Set-up zu finden und den Piloten zu helfen, sich in einem virtuellen Umfeld auf einer Strecke zurechtzufinden.

Auch auf diesem Gebiet liegt Mercedes weit vorne: Die individuell angefertigte Simulator-Anlage in der Fabrik ist vergleichbar mit einem professionellen Flugsimulator, mit dem Piloten trainiert werden. In einer typischen Session legen Renn- und Simulatorfahrer locker mehr als eine volle Renndistanz zurück. In der gleichen Zeit werden tausende Simulationen berechnet, da vom Rechner simulierte Runden zu 100% virtuell durchgeführt werden können. Dadurch können sie beschleunigt werden und parallel zu anderen Simulationen laufen, um sowohl Fahrzeugdynamik- als auch Strategiegruppen zu unterstützen. Der Wert dieser unterschiedlichen virtuellen Werkzeuge ist kritisch für ein Team, besonders bei einer neuen Rennstrecke.

Die Teams arbeiten generell eng mit Gaming-Unternehmen zusammen, um die Streckenumgebung so realistisch wie möglich wiederzugeben, da visuelle Hinweise für die Fahrer wichtig sind, um Brems- und Einlenkpunkte zu erkennen. Der Simulator selbst wird so realistisch wie möglich gebaut – mit dem gleichen Chassis, Cockpit, Lenkrad und Pedalsatz wie im richtigen Auto. Die Fahrer sitzen oft in voller Rennmontur im Simulator, um ein komplett immersives Erlebnis zu haben. Viel Zeit wird dafür aufgewendet, das virtuelle Fahrzeugmodell mit dem realen Auto abzugleichen, damit es sich im Simulator genauso verhält wie auf der echten Rennstrecke. Auf diese Weise lassen sich im Simulator die gleichen Setupeinstellungen und Veränderungen durchspielen wie auf der richtigen Strecke.

Eine neue Rennstrecke bedeutet: Das Team ist mehr davon abhängig, Informationen im Simulator zu sammeln. Aus diesem Grund fällt das Programm bei neuen Strecken umfangreicher aus. Das meiste wird natürlich vor dem Rennwochenende erledigt, dennoch endet die Arbeit nicht, wenn das Team an der Strecke angekommen ist. Die Simulator-Abteilung absolviert bei jedem Grand Prix auch ein Freitagsprogramm und unterstützt die Fahrer sowie Ingenieure an der Strecke dabei, die Lehren des Trainingstages optimal umzusetzen. Nach dem Wochenende wird der Simulator erneut angeworfen, um ein Post-Event-Programm abzuspulen.

Aber auch die Strategieabteilung arbeitet stark mit Simulationen: Die entsprechenden Computermodelle beinhalten alle Fahrer und Teams, aber auch Annahmen für Boxenstopp-Szenarien und Streckenvariablen, wie etwa den Zeitverlust bei einem Stopp, den Reifenabbau und die Konkurrenzfähigkeit der Autos. Dabei werden realistische Schwankungen eingebaut, um so eine Vielzahl an Situationen darzustellen und so die besten Strategieoptionen für Qualifying und Rennen herauszufiltern. Wer das am perfektesten umsetzt, der hat dann auch in der Praxis die besten Siegchancen.