Die Monegassen sehen zu, dass sie Land gewinnen. Nein, sie flüchten nicht aus ihrem Steuerparadies, aber sie müssen Platz schaffen für weitere Projekte, denn es ist zu eng geworden für die breite Masse der Reichen und Schönen. Daher wird aus dem Meer das Erdreich geschürft, um neuen Grund feilbieten zu können, den Bodenschatz in Monaco schlechthin.
Der Glitzer und Glamour des Fürstentums wird an diesem Wochenende konterkariert, wenn die Elektroautos Alberts Reich in Beschlag nehmen und die Ferrari- und Bentley-Saurier eine neue und für sie noch ferne Welt ganz aus der Nähe bestaunen können. Die Formel E bildet so ziemlich das Gegenteil dessen ab, was der hier in konzentrierter Form ansässige alte Verbrennungsmotor-Schickeria-Adel darstellt. Sie orientiert sich an ökologischen Richtlinien, setzt auf Sparsamkeit statt Verschwendung und bietet dennoch ein Spektakel.
Die Formel E will sich bewusst abheben von der Formel 1 und die Beteiligten liefern die Vorteile aus ihrer Sicht frei Haus. „Bei uns steht die Show im Vordergrund“, sagt der Deutsche Andre Lotterer, der Führende der „voest alpine European Races“. „Jeder weiß, dass ein Formel 1-Auto viel schneller ist, aber wir bieten die Zweikämpfe.“
Zahlenspiele
Der Mensch soll sich selbst ein Bild machen, wenn er mit konkreten Zahlen konfrontiert wird. 280 km/h kann ein Formel-E-Bolide schaffen, die engen Kurse aber lassen dies natürlich nicht zu. 230 km/h aber werden in Monaco laut Pilotenauskunft erreicht und dies mit 250 Kilowatt (340 PS), die das in dieser Saison eingesetzte Fahrzeug der zweiten Generation (GEN2) zu leisten imstande ist.
Und sie drücken auch schon ordentlich aufs Tempo, denn beschleunigt wird in 2,8 Sekunden, von null auf hundert. Die Ladezeit wird in einer der kommenden Auto-Generationen radikal verkürzt sein. Das "Fast charging" ist nur eine Frage der Zeit. Dem Nachdenkprozess auf die Sprünge hilft ein direkter Vergleich. Während jeder Formel-1-Fahrer pro Wochenende 13 Reifensätze verschleißen kann, stehen in der Formel E lediglich zwei allwettertaugliche Sätze zur Verfügung.
Die Fahrer selbst würden übrigens die Konfrontation mit der Formel 1 gar nicht scheuen. Sie hätten in Monte Carlo gerne den Originalkurs überrollt, doch die FIA hat ein Veto eingelegt. Das freie Spiel der Kräfte ist manchmal übergeordneten Stellen unterworfen. Dennoch sind die Besucher in Scharen zur Rennstrecke gekommen, auch wenn die Casino-Passage und der Tunnel, an dessen Ausgang Karl Wendlinger vor genau 25 Jahren so schwer verunglückte, entfallen.
Starkes Fan-Interesse
Die Fans lassen sich auch die Möglichkeit, mit den Piloten wenige Stunden vor dem Rennen persönlich in Kontakt zu kommen, nicht nehmen. Vor dem Eingang zum Treffpunkt bildeten sich echte Menschenschlangen. Die Fahrer der Formel E, für die eingefleischten Formel-1-Freaks vermutlich die vegane Variante des Motorsports, erfreuen sich erstaunlicher Popularität.
Die Industrie aber liegt voll im Trend, die Formel E erhält in der kommenden Saison prominenten Zuwachs durch Porsche und Mercedes. „Der Sport ist die Trägerrakete für die E-Mobilität“, sagt voestalpine-Vorstandschef Wolfgang Eder. Der Technologie-Konzern, Sponsor der Europa-Rennen, erzeugt wesentliche Komponenten für E-Motoren. Die Zukunft sieht Eder jedoch im Wasserstoff. Die Batterie, eine derzeit hochsensible Problemzone im E-Auto (Eder: „Sie ist nicht die ideale Lösung“), wird dann durch eine Brennstoffzelle ersetzt, den Stromlieferanten im Elektro-Zeitalter laut dem Bekenntnis der Zukunftsgläubigen.
Erster zweiter Sieger
Im neunten Rennen hat am Samstag zum ersten Mal in dieser Saison ein Fahrer zum zweiten Mal gewonnen. Der Franzose Jean-Eric Vergne vom chinesischen Techeetah Team siegte beim Monaco E-Prix vor dem Briten Oliver Rowland und dem in Monaco sesshaft gewordenen Brasilianer Felipe Massa. In der Gesamtwertung führt nun Vergne mit 87 Punkten vor Lotterer (82).