Julia Sciancalepore hat ein Lächeln, das verzückt. Grinsen wie ein Honigkuchenpferd wird die 25-Jährige auch in den kommenden Wochen, denn die Kärntnerin zählt zum 24-köpfigen-Aufgebot für die Paralympics in Tokio (24. August bis 5. September). Dabei bekommt die Dressurreiterin tatkräftige Unterstützung in Form ihres neunjährigen Hannoveraners namens Heinrich IV., den sie nach den Paralympics 2016 geschenkt bekam.

Die Halbspanierin charakterisiert ihren Liebling als neugierig, verschmust und dennoch temperamentvoll. „Er ist einmalig und ein Geschenk. Sobald er eine Kamera sieht, will er im Mittelpunkt stehen“, sagt die Wirtschaftswissenschaftsstudentin und verrät, dass er gern einmal abhaut. „Aber ich bin schnell genug, trotz meiner körperlichen Einschränkung.

Kann schier Unmögliches schaffen

Die Villacherin leidet seit ihrer Geburt an Cerebralparese (frühkindliche Hirnschädigung). „Durch eine falsche Dosierung eines Medikaments kam es zu einem Sauerstoffmangel. Meine Mama und ich hatten enorm viel Glück, dass wir es überhaupt überlebt haben“, offenbart die Bundesheer-Leistungssportlerin, die mit zarten drei Jahren mit der sogenannten Hippotherapie anfing. Dabei lernen die Schüler, ohne Sattel auf einem Pferd zu reiten. „Es geht darum, dass sich das Pferd am Rücken dreidimensional bewegt. Beim Reiter werden Becken und Rücken gestärkt. Diese Therapie war für mich wichtig, auch fürs Selbstvertrauen: Man lernt, dass man scheinbar schier Unmögliches schaffen kann.“

Zum richtigen Reitsport kam sie über Reitlehrerin Sara Wahl und den Voltigiersport, als sie elf war. Ihr erstes Turnier bestritt sie mit 15. Seit diesem Zeitpunkt geht es für die Liebhaberin von Süßigkeiten nur noch bergauf. Rund vier bis sechs Mal pro Woche sitzt die Kärntnerin, die schlagfertig, ehrgeizig und wortgewandt ist, im Sattel.

"Ich will in die Kür der Top 7"

Auf die Frage, wie Menschen auf sie reagieren, macht sie keineswegs ein Geheimnis: „Manche behandeln mich völlig normal, andere allerdings wie ein Kleinkind. Es gibt viele Personen, die glauben, dass ich auch geistig beeinträchtigt bin. Ich habe gelernt, damit umzugehen.“

Für den Saisonhöhepunkt in Tokio hat sich Sciancalepore Einiges vorgenommen: „Ich will in die Kür der Top 7.“ Vor dem Abflug am 19. August musste der Großteil der Pferde und Reiter in Aachen in die zehntägige Quarantäne. „Langsam fängt es jetzt richtig an, zu kribbeln. Es wird ernst und ich kann es kaum erwarten.“