Eine 3:4-Niederlage im Shoot-Out gegen Kroatien im Viertelfinale in der Schwarzmeerstadt Sotschi bedeutete zwar das Turnier-Aus, die "Sbornaja" kann aber erhobenen Hauptes von der großen WM-Bühne abdanken. Lediglich als Nummer 70 der Weltrangliste und als am schlechtesten gereihtes Team waren die Russen in das Heim-Turnier gegangen. Nur wenige trauten der Elf von Stanislaw Tschertschessow vor Beginn der Endrunde überhaupt das Überstehen der Gruppenphase zu. "Wir haben unseren Wert gezeigt", sagte der Trainer nach dem Viertelfinal-Out. Dass es weit gehen würde, habe er aber von Anfang an gewusst. "Von der ersten Sekunde an, als ich dieses Team zusammengestellt habe, war mir klar, in welche Richtung es geht."

Im ersten Moment überwog aber die Enttäuschung. "Wir fühlen uns ein bisschen wie Wehrpflichtige, die früh abgezogen wurden. Es wäre besser gewesen, wenn wir noch bis zum 15. Juli hätten bleiben können." Ihren Zenit habe die Mannschaft noch nicht erreicht. "Ich denke, wir waren erfolgreich, aber es ist Zeit, noch einen Schritt weiter zu gehen", blickte der Ex-Tormann des FC Tirol unmittelbar nach der bitteren Niederlage schon in die Zukunft.

Dann wird die russische Elf ohne den Rekord-Internationalen Sergej Ignaschewitsch auskommen müssen. Der 38-Jährige, der 127 Länderspiele im Dress seines Nationalteams bestritten hat, kündigte am Tag nach dem WM-Aus sein Karriereende an. Insgesamt erzielte der Verteidiger neun Treffer für die russische Elf. Als Kapitän führte er ZSKA Moskau 2005 zum UEFA-Cup-Titel. "Das war meine letzte WM, mein letztes Turnier und mein letztes Spiel in meiner Fußballkarriere", verlautbarte Ignaschewitsch via Social Media.

Tschertschessow wurde für seine Arbeit als Teamchef von höchster Stelle gelobt. "Wladimir Putin hat mich angerufen und mir zu einem sehr guten Spiel gratuliert. Er sagte, wir sollen unsere Augen offen halten und die nächsten Schritte angehen", erzählte Russlands bekanntester Schnauzbartträger von seinem Telefonat mit dem Präsidenten.

Elfer-Thriller gegen Spanien

Mit der Niederlage gegen Uruguay im finalen Gruppenspiel musste Russland nur eine Niederlage nach 90 oder 120 Minuten hinnehmen. Überhaupt durfte man über den ersten Einzug in die K.o.-Phase seit dem Ende der Sowjetunion jubeln. Das absolute Turnier-Highlight aus Sicht der Gastgeber war wohl der Sieg im Elfer-Thriller gegen Spanien im Achtelfinale. Das zweite Shoot-Out musste dann ohne russisches Happy End auskommen.

Der Kreml hat die Spieler der "Sbornaja" trotz des Ausscheidens als Nationalhelden bezeichnet. "Unsere Mannschaft hat in einem ehrlichen und schönen Spiel verloren", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstagabend in Moskau. Man könne stolz auf die Fußballer sein, sie seien toll gewesen. "Sie sind Helden. Sie sind auf dem Feld gestorben", sagte der Vertraute Putins der Agentur Interfax zufolge.

Ministerpräsident Dmitri Medwedew, der beim Spiel gegen Kroatien im Stadion in Sotschi anwesend war, sei von der Leistung der Mannschaft enorm beeindruckt gewesen. "Ich hatte noch nie solche Emotionen bei einem Fußballspiel", sagte Medwedew. In der russischen Hauptstadt feierten Zehntausende Menschen in der Fanzone in der Nähe der renommierten Lomonossow-Universität beim Public Viewing. Autokorsos und euphorische Gesänge blieben diesmal aber aus.

Auch Samedow trat zurück

Neben Sergej Ignaschewitsch muss die russische Nationalmannschaft künftig auch auf Mittelfeldmann Alexander Samedow verzichten. Der 33-Jährige gab seinen Team-Rücktritt bekannt. "Ich habe schon für mich entschieden, es ist Zeit zu gehen", sagte der Spartak-Moskau-Spieler. Gegen Kroatien hatte er bis zur 54. Minute gespielt.

Der Verbandsspitze hat sich indes für einen Verbleib von Stanislaw Tschertschessow als Teamchef ausgesprochen. Dies sagten verschiedene Funktionäre, darunter der erste Vizepräsident Nikita Simonjan. Der 54-jährige Trainer selbst hatte in der Pressekonferenz nach dem Spiel auf die Frage nach seiner Zukunft gesagt: "Wir können nicht vorhersagen, ob ich bleibe oder nicht. Wir müssen alles genau analysieren."

Der ehemalige WM-Cheforganisator Witali Mutko sieht das WM-Aus der "Sbornaja" nicht als Verlust für den russischen Fußball. "Wir haben eine Mannschaft, die Millionen Menschen lieben gelernt haben. Das ist das Wichtigste", sagte er der Agentur Tass am Sonntag in Moskau. Die Spieler hätten Charakter gezeigt, ihr Auftritt sei toll gewesen, sagte der Ex-Sportminister. Der Vertraute von Präsident Wladimir Putin gilt als Schlüsselfigur des Dopings in Russland. Moskau dementiert ein organisiertes Doping, hat Mutko aber im Vorlauf zur WM aus der Schusslinie genommen.