Wer soll ihn stoppen, den wertvollsten, vor allem aber den schnellsten Stürmer der Welt? Kylian Mbappé darf nicht nur diese Superlative für sich beanspruchen, der bald 24-Jährige präsentiert sich bei der Weltmeisterschaft in Katar auch in bester Spiel- und Torlaune. Mit fünf Treffern führt der im Pariser Vorort Bondy geborene Sohn eines Kameruners und einer Algerierin die Schützenliste an, seine Qualitäten, gepaart mit einer ihm zuerkannten Hochbegabung, sind geeignet, jeder Abwehr unlösbare Problemstellungen vorzusetzen.

Frankreich darf sich glücklich schätzen, einen noch immer jungen Stürmer dieses Formats in seinen Reihen zu wissen. Durch seine Beschleunigung genügen Mbappé wenige Quadratzentimeter Freiraum. Einmal losgelassen, ist er nicht mehr zu erwischen, das hängt auch mit seiner Höchstgeschwindigkeit von 38 km/h zusammen, die er mit anspruchsvollster Technik und ausgeprägter Schusskraft kombiniert. Das ergibt eine weit überdurchschnittliche Torgefährlichkeit. Auch das Listige ist Mbappé nicht fremd, seiner raschen Auffassungsgabe zu folgen, ist für jeden Gegenspieler eine Herausforderung.

Griezmanns unglaubliches Pensum

Doch die Franzosen verfügen nicht nur über das Genie des Einzelkönners, das hohe Niveau bei den "Les Bleus" zieht sich durch das Kollektiv wie ein roter Faden. Da gibt es den bei dieser WM zu alter Höchstform aufgelaufenen Antoine Griezmann, der sich bei enormer Ballsicherheit durch ein gewaltiges Arbeitspensum auszeichnet und dabei nicht nur die Stürmer Mbappé sowie vor allem den im Strafraum ungemein präsenten Olivier Giroud mit Vorlagen versorgt, sondern den Ball bei Bedarf auch aus der eigenen Abwehrzone heraus gezielt nach vorne befördert.

An der auch ohne den während des Turniers fast schon in Vergessenheit großen Abwesenden, Karim Benzema, herausragenden Qualität in der Offensive herrschen keine Zweifel. Nominell kann die Defensivabteilung da nicht ganz mithalten, doch bewies sie im Verlauf der WM ausgezeichnete Stabilität. Im Mittelfeld ergänzen einander der bisher so auffällige Adrien Rabiot, der sich häufig in den Angriff einschaltet, sowie der erst 22-jährige Aurelien Tchouameni, der schon vor der Abwehr das Gefahrenpotenzial des Gegners minimiert, manchmal solo, manchmal auch im Verbund mit dem Juventus-Legionär.

Vorteil der Psychologie

Frankreich hat zudem auch psychologische Vorteile gegenüber England vorzuweisen. So hat das Team von Erfolgstrainer Didier Deschamps eine Barriere überwunden und als erster amtierender Weltmeister seit Brasilien 2006 die Gruppenphase überstanden. Dieser Mannschaft ist auch die erfolgreiche Titelverteidigung zuzutrauen. Auch hier wären sie die Nachfolger der Brasilianer, die 1958 und 1962 gewannen. Und sollte es zu einem Elfmeterschießen kommen, haben die Franzosen zumindest einen statistischen Vorteil. Sie verwandelten bei Weltmeisterschaften 77 Prozent der Elfer, England kommt auf 71 Prozent, stellt allerdings mit Harry Kane den besten Einzelschützen.