Ein als "groß" angekündigtes Spiel muss solchen Vorab-Huldigungen nicht zwingend gerecht werden, aber das Duell zwischen England und Frankreich wurde auf Topniveau abgewickelt. Denn es war ein Match zwischen zwei Teams auf Augenhöhe und lief nicht so ab wie schon so viele Partien dieser Weltmeisterschaft nach dem klassischen Entwurf zwischen einer in erster Linie angreifenden und einer verteidigenden Mannschaft. Das hob sich diesmal weitgehend auf.

Beide Teams probierten umgehend, die gegnerische Defensive auszuhebeln, ohne freilich die Rückversicherung zu vernachlässigen. Das ging so bis zur 17. Minute, als Aurelien Tchouameni mit einem platzierten und scharfen 26-Meter-Flachschuss Jordan Pickford zum 1:0 für die Franzosen bezwang. Doch der Treffer hatte möglicherweise einen Schönheitsfehler. Die Attacke von Dayot Upamecano an Bukayo Saka bei der Balleroberung am eigenen Strafraum kann auch als Foul interpretiert werden. Der VAR griff jedoch nicht ein, der Treffer zählte. Auch sonst durften sich die Franzosen über den brasilianischen Schiedsrichter Wilton Sampaio nicht beschweren, denn in der 25. Minute wurde Harry Kane an der Strafraumgrenze zu Fall gebracht. Der VAR checkte, erkannte, dass das Foul außerhalb des Sechzehners seinen Ausgang genommen hatte, so wurden die Engländer "nur" um einen Freistoß gebracht.

Die Engländer ließen sich davon nicht aus der Ruhe bringen und warteten geduldig bis zum Start der zweiten Hälfte. In dieser wurde die Partie noch intensiver, nun musste das Team von Gareth Southgate die Angriffsbemühungen verstärken. Das geschah auch. Bald bekam Harry Kane seine erste große Chance. Bukayo Saka wurde gefoult, und der Kapitän verwandelte den Elfmeter souverän zum 1:1-Ausgleich, der in dieser Phase schon verdient war. Für eine Weile schienen nun die Engländer dem Führungstreffer näher, jedenfalls erspielten sie sich mehr Gelegenheiten als abwartende Franzosen. Einmal verhinderte Hugo Lloris in extremis das 1:2. Aber das Team des Titelverteidigers lauerte bloß auf einen passenden Moment und schlug zu. Wenige Augenblicke nach einer grandiosen Abwehrreaktion von Pickford gegen Olivier Giroud kam eine Flanke von Antoine Griezmann in den Strafraum, die der Goalgetter, bedrängt von Harry Maguire, per Kopf in ein Tor umwandelte (84.).

England gab sich nicht geschlagen, wiewohl die Zeit dahinrann, und tatsächlich, nur sechs Minuten später wurde nach VAR-Intervention und Überprüfung durch den Unparteiischen neuerlich auf Strafstoß entschieden. Theo Hernandez hatte Mason Mount im Strafraum einfach umgerempelt, eine klare Sache. Doch das war es diesmal nicht für Harry Kane. Der meist sichere Elferschütze jagte den Ball mit voller Wucht weit über das Tor und schrieb das nächste dunkle Kapitel in der englischen Elfer-Drama-Serie.

Die Schlusssequenz geriet zum Nervenkitzel. Die Engländer probierten alles, unermüdlich griffen sie an, um Kane das Schicksal zu ersparen, das Aus mitverursacht zu haben. Doch es ließ sich nicht mehr abwenden, neuerlich ist ein sehr starkes England gescheitert, und Frankreich wahrte die Chance auf eine erfolgreiche Titelverteidigung.