Katar ist ein Land der extremen Gegensätze. Noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts zählte das Emirat am persischen Golf zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Perlen-Wirtschaft war aufgrund der großen Konkurrenz aus Japan kollabiert, in Doha lebten gerade einmal 16.000 Menschen und der damalige Herrscher des Landes war gezwungen, einen Kredit auf sein Haus aufzunehmen. Im Jahr 1939 entdeckten Geologen dann Erdöl – die Geburtsstunde zur Entwicklung zu einem der reichsten Länder der Welt, das mittlerweile 2,8 Millionen Einwohner zählt. Nur rund 300.000 von ihnen sind Katari, der Rest sind „Expats“ und Arbeitsmigranten, von denen jeder seinen eigenen „katarischen Traum“ verfolgt.

Mit mit einem Pro-Kopf-Brutto-Inlandsprodukt von 85.300 US-Dollar lag Katar im Jahr 2020 auf Platz sechs der reichsten Länder der Welt. Dieser Reichtum, gepaart mit dem Bedarf an ausländischen Fachkräften, um die ambitionierten Bau- und Entwicklungsprojekte umzusetzen, lockte seit den 1980er-Jahren Menschen aus aller Welt in das Emirat, das gerade einmal knapp so groß ist wie Oberösterreich.

Der Großteil der Arbeitsmigranten stammt mit 1,5 Millionen aus dem südlichen bzw. südöstlichen Asien – 650.000 Inder, 400.000 Bangladeschi, 350.000 Nepali oder 260.000 Filipinos verleihen dem Land einen asiatischen Touch. Wie ausländische Arbeitskräfte aus afrikanischen Ländern sind einige auch in Jobs mit niedrigster Bezahlung zu finden. Obwohl das Mindesteinkommen erst vor kurzer Zeit auf 1000 Riyals (ca. 250 Euro) im Monat erhöht wurde, erscheint das auf den ersten Blick sehr niedrig. Für viele dieser Menschen bedeutet es im Verhältnis zu den Gehältern in ihrer Heimat aber trotzdem eine deutliche finanzielle Verbesserung und die Grundlage, ihre Familie zu Hause finanziell versorgen zu können.

Als „Expat“ aus Mittel-Europa hat man mit diesem Gehaltsniveau in der Regel wenig zu tun. Um topausgebildete Fachkräfte aus Ländern wie England, Deutschland oder Italien zu bekommen, werden Angebote gebastelt, die mit einem üppigen Grundgehalt, einer Reihe von „Benefits“, wie monatliche Zuschüsse für Wohnen, Transport oder Schulbildung der Kinder, sowie der Aussicht auf eine großzügige Abfindung am Ende des Vertrages oft schwer abzulehnen sind. Dazu wird viel getan, damit sich Menschen aus dem „Westen“ in Katar wohlfühlen.

Nur elf Kilometer vom Zentrum Dohas entfernt wurde mit der „Pearl“ eine 400 Hektar große künstliche Insel angelegt, die 30.000, zum Großteil europäischen, Einwanderern als Wohnort dient. Die Insel bietet hochwertige Villen, Apartmenthäuser, Luxushotels, Schulen, Kindergärten, Einkaufszentren, Kinos, Strände und zahlreiche Restaurants. Der Baustil erinnert an Gebäude der Toskana, Provence, Kataloniens oder Andalusiens, dazu liegen hier mehrere Hundert Jachten.
Inmitten von englischen Finanz-Managern, deutschen Piloten von Qatar Airways oder weltbekannten spanischen Fußball-Profis kann man am freien Wochenende gemütlich die Marina entlangspazieren, sich am Privatstrand entspannen oder eine Runde mit dem Motorboot drehen. Auch rund 500 Österreicher sind in Katar ansässig und oft in internationalen Hotels beim „Oktober-Fest“ und deutscher Musik mit Weißwurst, Bier und Brezen zu finden.

Trotz all des Luxus der Privilegierten sind Aufenthalte oft von kurzer Dauer. Mitunter auch deshalb, weil Frauen, die ihre Ehemänner nach Katar begleiten, oft vor der Entscheidung stehen, eine schlecht(er) bezahlte Stelle anzunehmen, die nicht ihren Qualifikationen entspricht, oder ob sie gar nicht erst nach Katar mitkommen. Nicht selten führt das dazu, dass beide dann eher früher als später wieder im Flieger in die Heimat sitzen oder der Mann allein in Katar bleibt.

Link: Das "Kafala-System" als Grundlage - wie das System funktioniert

Es gibt auch andere Schattenseiten: Im Zusammenhang mit Gastarbeitern wird oft über das sogenannte „Kafala“-System gesprochen: Nicht-katarische Staatsbürger brauchen einen „Kafeel“ – einen Sponsor, um sich in Katar langfristig aufhalten und arbeiten zu dürfen. So haben Arbeitgeber oder Einzelpersonen einerseits große Verantwortung gegenüber ihren Angestellten, aber automatisch auch Macht über sie. Ohne die ausdrückliche Erlaubnis ihrer Sponsoren ist es etwa nicht möglich, Jobs zu wechseln oder das Land zu verlassen. Dabei ist es egal, ob es sich um einen deutschen Topmanager, einen türkischen Friseur oder eine indonesische Kellnerin handelt.

Der „Traum“ vom Arbeiten in Katar: Er bietet die Möglichkeit, innerhalb kurzer Zeit viel Geld zu verdienen, sich ein finanziell sorgenfreies Leben aufzubauen. Vorausgesetzt, man ist bereit, auf einige persönliche Freiheiten zu verzichten.