Die Fahne mit dem weißen Plus auf rotem Untergrund hängt seit 2013 über dem Portal, nicht nur heute. Andrzej Koch hat zum Public Viewing gebeten, er ist „Der Schweizer“ in der Wiener Wollzeile und hat nicht wirklich viel Platz. „Ohne Schanigarten habe ich 15 Quadratmeter, mit sind es 18,20“, sagt der Luzerner, der in exklusiver Innenstadtlage qualitativ hochwertigsten Käse verkauft. Auch dann, wenn nicht gerade gegen Schweden Fußball gespielt werden muss. Zwei Stehtischchen, drei Hocker, ein Sitzbalken, für die Kleine Zeitung wurde nach Anfrage „ein Logenplatz“ reserviert, der Chef affichierte einen Zettel: „Heute ab 16 Uhr geschlossen“, und los geht's.

Der kleinste Schanigarten Wiens war bummvoll, zum Bersten gefüllt. Hätte eine Hand sechs Finger, hätte man die Audienz an einer abzählen können. Anfangs zumindest, dann kam die neutrale Passantenhorde, von der sich weitere fünf Personen zu den rot-weißen Gesellen gesellten. Wir waren also elf, als wir auf einen 60-x-40-Fernseher starrten und versuchten, den Mast des Halteverbotsschildes zu umschielen.

Die Schweiz, die sich oberflächlich über Frankenkredite, Alphörner, Toblerone und Emmentaler definiert, ist selbstverständlich auch Heimat großer Söhne, Wilhelm Tell, Albert Einstein, Alpöhi, Xherdan Shaqiri. „Einer von den vielen Secundos in unserer Mannschaft, ohne die der Erfolg nicht möglich wäre“, sagt Andrzej Koch. Wir nicken und denken frohgemut an unsere Dragovic-Junuzovic-Arnautovic-Achse, flankiert von David Alaba. Dem 52-Jährigen ist Schmäh prinzipiell nicht fremd, seine Internet-Domain lautet www.derschweizer.eu.

Der ehemalige Seemann, Überkopfschweißer, Anstreicher und Mitarbeiter des ersten Webdesign-Unternehmens in der Schweiz lernte in Österreich eine Burgenländerin kennen und lieben, er übersiedelte, der Bub ist heute zehn Jahre alt. Immer, wenn er in die Heimat fuhr, brachte er ein Fünfkilostück Entlebucher mit, der war unter den Freunden heiß begehrt. „Ich habe ihn schon als Kind gern gegessen und in feuchten Salztüchern unter dem Bett gelagert. Das ist der ideale Platz.“

Apropos Platz: Auf jenem in Russland spielten die Schweizer einen ... ziemlichen Edamer zusammen, einen nicht reifen. Andrzej Koch stellte eine Bouteille auf das Tischerl. Einen Zurbriggen Le Grand aus Zermatt. „Schweizer Weißwein bringt vielleicht Glück.“ Alicia aus Sao Paulo, die eigentlich zu Schweden hielt, aber sich nicht traute, das ihrem rot gewandeten Lebensgefährten zu offenbaren, ließ dieses Thema nicht mehr los. „Schweizer Weißweine sind so wässrig im Abgang. In unserem Dorf gibt es super Rote, aber die Weißen ...“

So wirklich hört ihr niemand zu. Vielmehr beschäftigt Orfeo aus dem Tessin und Rudi aus Kloten, dass Lichtsteiner und Schär gesperrt sind. Als ein vorbeispazierender Wiener meint, dass am Donaukanal das Public Viewing, na ja, ein bisserl spektakulärer sei, sagt Rudi: „Am wichtigsten ist das Herz.“

Schweden ist besser, es verhält sich wie mit Andrzej Kochs Käse. „Ein paar meiner Käse sind gut. Der Rest ist sehr gut.“ Ob's mit Lichtsteiner und Schär funktioniert hätte? Jedenfalls machte sich Niedergeschlagenheit breit unter den mittlerweile 14 Fans. Was tun? Lokale abfackeln?

„Wir zerlegen den Ikea in Vösendorf“, sagt Andrej Koch.

Alle lachen. Alles ist gut.