Seit dem Zerfall der Sowjetunion (1990/91) hat Russlands Fußball-Nationalmannschaft mit einer einzigen Ausnahme bei großen Turnieren ausnahmslos enttäuscht: 2008 wurde die "Sbornaja" bei der EM in Österreich und der Schweiz erst im Halbfinale vom späteren Europameister Spanien gestoppt. Ansonsten kam für die Auswahl aus dem größten Land der Welt stets schon in der ersten Turnierphase das Aus.

"Wir müssen ein würdiger Gastgeber sein", fordert deshalb der russische Teamchef Stanislaw Tschertschessow, für den das als Minimalziel gesetzte Achtelfinale bei der Heim-WM angesichts der Gegner in Gruppe A - Saudi-Arabien, Ägypten und Uruguay - kein Problem darstellen sollte. Doch in der ersten K.o.-Runde drohen dann schon Brocken wie Europameister Portugal oder Ex-Weltmeister Spanien.

Vorbereitung im Stubaital

Vor der WM absolvierten die Russen ab 21. Mai noch ein zehntägiges Trainingslager im Stubaital, wo sie sich bereits im vergangenen Sommer auf den Confederations Cup eingestimmt hatten. Ihr vorletzter Testspielgegner war Österreich am 30. Mai in Innsbruck, wo Ex-Tormann Tschertschessow drei Meistertitel feierte (2000 bis 2002) und auch zu Beginn seiner Trainerkarriere (2004 bis 2006) arbeitete.

Der 54-jährige Ossete übernahm die russische Auswahl im Juli 2016 nach der enttäuschenden EM in Frankreich, wo es nach einem 1:1 gegen England im Auftaktspiel empfindliche Niederlagen gegen die Slowakei (1:2) und Wales (0:3) setzte. Tschertschessow war daher als Feuerwehrmann gefragt, um das verunsicherte Team zu stabilisieren. Der Confed-Cup im Vorjahr verlief aber ähnlich enttäuschend, verpasste doch Russland mit nur einem Sieg aus drei Partien und Platz drei der Gruppe A das angepeilte Halbfinale.

Nach dieser missglückten WM-Generalprobe ist der Druck auf die "Sbornaja", die seit Jahren fast ausnahmslos aus Spielern der russischen Premjer Liga besteht, zusätzlich gestiegen. Um das Achtelfinale zu erreichen, müssen die Russen wohl ebenso viele WM-Siege schaffen wie in den vergangenen 24 Jahren - nämlich zwei: 1994 in den USA gewannen sie ihr letztes, bereits bedeutungsloses Match gegen Kamerun 6:1. 2002 in Japan schieden sie nach einem 2:0-Auftakterfolg gegen Tunesien ebenfalls als Gruppendritter vorzeitig aus.

Diese Platzierung war auch zuletzt 2014 in Brasilien das Maximum, als Tormann Igor Akinfejew und Co. sich gegen die Außenseiter Algerien und Südkorea jeweils mit 1:1 begnügen mussten und gegen Belgien 0:1 verloren - und das obwohl laut Medienberichten russische Spieler damals gedopt gewesen sein sollen. Es kommt also nicht von ungefähr, dass Tschertschessow lieber den Blick nach vorne, aber nicht zu weit nach vorne richtet. "Wir müssen von Schritt zu Schritt denken", lautet das Credo des Trainers mit dem markanten Schnauzbart.