Herr Jancker, was hat Sie bewogen, nach Leoben zu gehen?
CARSTEN JANCKER: Es gab einige Telefongespräche, und wir haben uns im Februar zusammengesetzt. Da hat dann DSV Leoben seine Pläne präsentiert und mir erklärt, dass sie es gerne mit mir machen würden. Daraufhin habe ich mich entschlossen, es zu tun.

Was war für Ihre Entscheidung ausschlaggebend?
Es ist das Gesamtpaket, und ich freue mich auf die Aufgabe. Es hat sich alles sehr interessant angehört. Es ist vieles hier möglich. Wir können was bewegen, aber wir haben noch einen sehr weiten Weg vor uns. Ich stehe noch am Anfang meiner Trainerkarriere und ich sehe das als riesige Chance für mich.

Das heißt, Sie sehen hier eine Perspektive?
Ich habe natürlich gewusst, dass Leoben schon einmal weiter oben stand. Dann habe ich mich informiert, was möglich ist. Die Bereitschaft, etwas auf die Beine zu stellen, hat mir gefallen. Dann habe ich gesagt, das will ich machen. Und aufgrund der Ambitionen des Klubs habe ich gleich für drei Jahre unterschrieben. Wir haben unsere Zielvorgabe, die wir aber mit Demut und Respekt angehen werden. Wir wissen, wo wir stehen und erleben hier einen kompletten Umbruch. Aber es ist klar, was erwartet wird.

Wie war der erste Eindruck?
Es war klar, dass wir eine fast komplett neue Mannschaft aufstellen müssen. Damit haben wir dann auch gleich im Februar begonnen. Uns war klar, dass die Umsetzung einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen würde. Der Adi Preschern (sportlicher Leiter, Anm.) hat einen super Job gemacht. Und wir haben jetzt eine sehr gute Mannschaft.

Nach welchen Kriterien wurden die Spieler ausgesucht?
Nach Qualität und Mentalität auf allen Positionen.

Wie findet man Qualität für die vierte Spielklasse?
Wir haben den Weg aufgezeigt, den wir gehen wollen und haben sie davon überzeugt.

Wie sieht die Zielvorgabe aus?
Wir wollen erfolgreich Fußball spielen. Wir haben ein langfristiges Ziel, nämlich, den Profifußball wieder nach Leoben zu holen. Da müssen wir in dieser Saison in der Landesliga den ersten Schritt setzen.

Der wohl nur Aufstieg heißen kann?
Das ist ein Wunschziel. Aber wir werden nichts geschenkt bekommen. Wir werden sehr viel investieren müssen. Dazu gehört auch eine gewisse Bereitschaft, ans Limit zu gehen. Die anderen Mannschaften werden sich sagen, die wollen wir schlagen. Aber ich denke, dass wir gut vorbereitet sind.

Wie haben Sie die Reaktionen wahrgenommen, als es sich herumgesprochen hat, dass Carsten Jancker Trainer in Leoben wird?
Sie waren durchwegs positiv. Aber ich muss klarstellen, dass ich nicht hier bin, um zu gefallen. Ich bin als Trainer Carsten Jancker hier und dabei geht es darum, erfolgreich Fußball spielen zu lassen. Das werde ich nach bestem Wissen und Gewissen tun.

Den Werdegang können wir aber trotzdem anreißen. Ihre größte Zeit als Spieler haben Sie beim FC Bayern erlebt. In diese Zeit fiel aber auch die wohl bitterste Niederlage für Sie und den Klub, im Champions-League-Finale 1999 gegen Manchester United. 2001 folgte dann der große Triumph. Wie fällt die Betrachtung der Ereignisse im Rückblick aus?
Es war sicher eine sehr bittere Erfahrung, doch das gehört dazu. Und wir haben aus diesem Negativerlebnis sehr viel Kraft gezogen. Jetzt erst recht. Es lässt sich im Nachhinein auch leichter über die Niederlage sprechen, weil wir zwei Jahre später die Champions League gewonnen haben, mit der praktisch gleichen Mannschaft.

Sie leben mittlerweile schon 15 Jahre in Österreich. Wann ist der Entschluss gereift, hier zu bleiben?
Das hat sich durch die Lebensumstände ergeben. Meine Frau ist Österreicherin und irgendwann stellte sich die Frage, wo wollen wir leben, wenn die Spielerkarriere vorbei ist. Da haben wir uns für Österreich entschieden. 

Dann haben sie beschlossen, die Trainerlaufbahn einzuschlagen. Welche Erfahrungen haben Sie dabei bisher geprägt?
Da gab es schon einiges. 2016, nach dem Ende der Zeit als Co-Trainer von Rapid, war ich ein arbeitsloser Fußballtrainer, da musst du durch. Dann habe ich bei Horn angefangen, da sind wir in meinem ersten Jahr in die zweite Liga aufgestiegen. Dann folgte nach einem weiteren halben Jahr die Entlassung, die erste als Cheftrainer. Das ist natürlich nicht angenehm, aber ich denke, es gehört auch zum Lernprozess dazu. Ich bin dann bei Mannsdorf (Regionalliga Ost) eingestiegen. Zum Zeitpunkt des Abbruchs lagen wir auf Platz eins, fünf Punkte vor Rapid II. Eigentlich sind wir Corona-Meister geworden.

Und nun sind Sie in der Steiermark gelandet, aber nur punktuell. Sie fahren zwischen Wien und Leoben hin und her?
Ja, ich bin am Pendeln und immer so 1:40 Stunden unterwegs. Da habe ich sehr viel Zeit zum Nachdenken und zum Telefonieren. Ich sehe das sehr entspannt. einen Tag vor dem Spiel werde ich in Leoben übernachten

Sie haben erklärt, in Leoben langfristig wieder den offiziellen Profifußball einzuführen. Das wird mit reinen Amateuren wohl nur schwer möglich sein, oder?
Wir haben einige Spieler, die arbeiten, einige die studieren und auch welche, die vom Fußball leben. Wir verfolgen gewisse Ziele, also benötigen wir möglichst große Professionalität.

Wie sehr kommt Ihnen bei der Umsetzung ihrer Vorstellung von Professionalität die deutsche Herkunft entgegen?
Ich glaube, dass ich die Einstellung zum Sport, zu wissen, was notwendig ist, in mir habe. Wir reden da von Ernährung, Regeneration, Trainingseinstellung. Das heißt noch nicht, dass ich diesen Schritt schaffe, aber ich vermindere die Möglichkeiten, dass es nicht funktioniert. Als Deutscher verfüge ich über eine gewisse Gründlichkeit. Ich weiß, was nötig ist, um erfolgreich zu sein und dabei sind auch Entbehrungen in Kauf zu nehmen.

Wie sehr sind Sie auch schon von der österreichischen Lebensart beeinflusst? Wie lassen sich die deutsche und die österreichische Mentalität so ideal kombinieren, um etwa im Fußball Erfolg zu haben?
Ich will das nicht vergleichen. Ich möchte meinen Weg gehen und der ist zielstrebig und professionell. Aber ich muss auch Spaß haben.

Ist der Spaßfaktor in Österreich stärker ausgeprägt als in Deutschland?
Ich sehe das nicht so extrem. Ich fühle mich aber sehr wohl in Österreich, daher lebe ich auch hier. Ich habe mich aber auch in München wohlgefühlt.

Gibt es für den Profifußball in Leoben einen Zeithorizont?
2028.