Österreich, so heißt es in diversen Nachschlagewerken, kann in seiner Geschichte auf einen einzigen Popstar verweisen. Falco war nicht nur weltberühmt in Österreich, sondern auch eine internationale Musikgröße. Auch die Welt des Fußballs wird von hochgradigen Vertretern aus der Alpenrepublik nicht gerade überschwemmt, daher kommt dem Jubilar ein Sonderstatus zu. David Alaba, der am Samstag gegen Belgien sein 100. Länderspiel im ÖFB-Team bestreitet, ist eine Ausnahmeerscheinung, ein internationaler Star, wenn man so will.

Auf die Frage nach einschlägigen Vorbildern werden hierzulande seit Jahrzehnten die gleichen Namen abgerufen. Hans Krankl und Herbert Prohaska stehen in der Rangliste ganz oben, sie spielten zu einer Zeit, als Legionäre noch zu den Raritäten zählten, lediglich zwei durften eingesetzt werden, das war etwas Besonderes. Im Zeitalter des neoliberalen Kapitalismus, also der Gegenwart, wird ein Auslandsfußballer längst nicht mehr als Besonderheit wahrgenommen, allein in der Premier League tummeln sich 392, das sind exakt zwei Drittel. Etwas bescheidener agiert hier die spanische Liga mit 41 Prozent Ausländeranteil. Das sind 207 Kicker, einer davon ist David Alaba.

Einstellung und Ausstrahlung

Aber nicht irgendeiner. Als der Österreicher nach insgesamt 13 Jahren beim FC Bayern die Münchner verließ, hatte er auf Klubebene so ziemlich alles gewonnen. Das haben andere auch, gewiss, doch in Alaba manifestiert sich der feine Unterschied, denn seine Karriere ist in vielerlei Hinsicht atypisch für einen hoch bezahlten Super-Profi. Er versteht den Beruf als Berufung und hob niemals ab. Der Verweis auf die Bodenhaftung gehört ungefragt zu den Standards seiner (einstigen und aktuellen) Weggefährten. "Er hat gesagt: 'Wir sind ein Team, gib, was du kannst, brauchst nicht nervös sein'", erzählt Maximilian Wöber über seinen Erstkontakt mit Alaba bei seinem Einstieg in der Nationalmannschaft. Florian Kainz imponiert die "Einstellung und Ausstrahlung" seines Jahrgangskollegen.

ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel erinnert sich zurück an 2007, als der von ihm damals betreute Wiener Sportklub von einem 15-Jährigen der Austria-Wien-Akademie vorgeführt wurde. "Da habe ich Alaba das erste Mal gesehen, nicht ahnend, dass er so eine Karriere hinlegen würde." Es sei etwas Besonderes, "so eine Persönlichkeit in den eigenen Reihen zu haben." Ralf Rangnick, seit einem Jahr Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft, kommt bei David Alaba geradezu ins Schwärmen, vor allem in der Charakterfrage. "Er hätte allen Grund, sich wie ein Star zu verhalten", aber er tut es nicht, der Hang zu Allüren ist ihm fremd. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Und so flog Alaba als Verletzter mit zum Auswärtsmatch gegen Dänemark. "Er hat als eine Art zusätzlicher Co-Trainer mitgewirkt. Mir fallen nicht viele ein, die so etwas gemacht hätten."

Der "totale Fußballer"

2007 hatte der damalige Nachwuchschef des FC Bayern nach mehreren Hinweisen Alaba bei einem Jugendmatch mit der Austria unter die Lupe und sodann unverzüglich mit den Eltern Kontakt aufgenommen. Vater George, ein aus Nigeria stammender Musiker, und Mutter Gina, eine von den Philippinen gekommene Krankenschwester (beide waren 1984 nach Wien gekommen), ließen sich überzeugen. Sie wurden nicht enttäuscht. David hielt den Bayern bis 2021 die Treue, ehe er sich reif sah für Real Madrid. Die Spanier hatten schon früher gelockt, die dortigen Medien waren überzeugt, in Alaba den "totalen Fußballer" entdeckt zu haben. Der Österreicher wechselte ablösefrei, auch diese Vorgangsweise entspricht nicht den Gepflogenheiten im nach immer irrwitzigeren Summen strebenden, völlig überhitzten Fußballermarkt. Und so beläuft sich der gesamte Transfererlös der Karriere Alabas auf jene 150.000 Euro, die der FC Bayern als Ausbildungsentschädigung an die Wiener Austria überwies.

Entlohnt wird der österreichische Paradefußballer freilich nach marktüblichen Kriterien. Auf mindestens 20 Millionen Euro beläuft sich die Jahresgage für den Abwehrchef des erfolgreichsten Klubs der Fußballgeschichte. Als dieser war Alaba von den "Königlichen" auch verpflichtet worden. Dass jahrelang über die geeignete Position des Ausnahmekickers in der Nationalmannschaft diskutiert wurde, gehört inzwischen in die reichhaltige Anekdotensammlung, wie auch der Erstkontakt zwischen Alaba und dem ehemaligen Tiroler Landeshauptmann Günther Platter. "How do you do", hatte dieser den Teamspieler 2012 angesprochen. Alaba reagierte mit völliger Gelassenheit. "Danke, gut. Sie können ruhig Deutsch mit mir reden."

Mit der österreichischen Nationalmannschaft strebt Alaba die erfolgreiche Qualifikation für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland sowie die Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Mexiko und Kanada an. Doch die Zufriedenheit ist dem am 24. Juni 31 Jahre alt werdenden Fußballer nicht mehr zu nehmen. "Ich habe schon sehr viele schöne Momente gehabt. Ich bin sehr dankbar dafür, dass alles so aufgegangen ist."