Herr Koller, wie fad ist einem Teamchef im Winter?
MARCEL KOLLER: Mir wird nie fad, weil Fußball wird eigentlich immer gespielt. Aber im Dezember war ich schon froh, dass es vorbei war. Weil du bist überall der Teamchef, egal wo du hingehst. Die Leute kennen einen und wollen was von dir. Immer präsent zu sein, ist auch sehr anstrengend. Dann war ich auch auf Urlaub und konnte einmal drei Wochen richtig abschalten.

Was wollen die Leute denn?
KOLLER: Sie wollen über Fußball sprechen oder ein Foto. Es gibt immer was zu diskutieren. Und da ich selbst auch immer viel Fußball schaue, ist die Flasche Fußball dann mal voll.

Das heißt, Sie werden auf der Straße angesprochen?
KOLLER: Ja, ja. Inkognito kannst du nicht unterwegs sein, außer du verkleidest dich.

Aber es ist Ihnen nicht unangenehm, die öffentliche Person zu sein, die erkannt wird, zumal Sie ja wohl in erster Linie positiv angesprochen werden?
KOLLER: Ich laufe jetzt nicht so rum, dass ich jeden anschaue. Kennt der mich? Ich versuche schon manchmal Kopf runter, um möglichst schnell an mein Ziel zu kommen. Aber das ist natürlich nicht immer möglich.

Sie haben einen Kader ohne Überraschungen präsentiert. Ist das konsequent oder stur?
KOLLER: Nein, es ist selbstverständlich keine Sturheit, wir überlegen uns das sehr gut. Wir setzen uns eine Woche vorher zusammen und besprechen das im Trainerteam. Da gibt es intensive Diskussionen. Und mit denen, die wir in zwei Jahren ausgesucht haben, sind wir zufrieden. Für so eine Qualifikation brauchst du ja auch Erfahrung. Nur mit den Jungen wird es nicht gehen. Ein Nationalteam, das ist ein anderes Leben. Und wenn es in die Quali geht, dann kannst du dir nicht viele Fehler erlauben. Wenn einer in der Liga gut spielt, müssen wir überlegen, passt er für unsere Spielweise? Beispiel Salzburg: Die spielen sehr attraktiv. Doch sie haben auch die passenden Leute. Aber es ist anders als im Nationalteam.

Ein bekannter Landsmann von Ihnen, Joseph Blatter (FIFA-Präsident, Anm.), hat einmal gesagt, man muss die Schafe zählen, nicht sie wiegen. Sie verfolgen die umgekehrte Philosophie. Das heißt, es ist schwer, seinen Status als Teamspieler zu verlieren. Wenn einer drinnen ist, hat er dann eine Art Garantie, dort zu bleiben?
KOLLER: Das ist natürlich abhängig von seinem Leistungspotenzial. Da sind ja ein paar bei uns, die nicht immer gespielt haben, aber das sind Fußballer, die geben beim Nationalteam immer alles, und die sind in ihrer Qualität weiter als andere. Es entscheidet die Qualität. Da müssen wir nicht jeden Augenblick was ändern. Wir haben jetzt zwei Jahre hinter uns, und das ist auch der Grund, warum ich wieder unterschrieben habe. Diejenigen, die zwei Jahre dabei sind, haben immer das Gleiche gehört. Und ich denke, das sieht man auch auf dem Platz. Wenn einer dazukommt, kann er nicht an einem Tag zwei Jahre aufholen.

Ist Ihre Erklärung, dass zwei Jahre zu wenig seien, tatsächlich der einzige Grund für die Vertragsverlängerung, oder haben Sie sich wieder für Österreich und gegen die Schweiz entschieden, weil Sie hier weniger zu verlieren haben?
KOLLER: Nein, also da habe ich schon genug Selbstvertrauen, dass ich auch die Schweiz hätte übernehmen können.

Wie lange hat Schweden nachgewirkt?
KOLLER: Das war nur kurz.

Hat man schlicht und einfach keine Zeit, lange nachzutrauern?
KOLLER: Im Nationalteam schon.

Zur Zukunft: Wie beurteilen Sie die EM-Qualifikation?
KOLLER: Das Ziel ist, dabei zu sein. Auf jeden Fall so lange wie möglich dran bleiben.

Ist es ein Vorteil, die Heimspiele gegen die starken Gruppengegner Schweden, Russland, Montenegro schon im Herbst zu haben?
KOLLER: Wenn wir sie gewinnen, schon. Aber ich erinnere an die WM-Quali. Nach Kasachstan hat es geheißen, es ist aus. Trotzdem waren wir bis zum Schluss dabei.

Themenwechsel: Wenn Sie von einem Fehlverhalten hören wie jenem der Eishockey-Spieler bei Olympia. Was geht einem Trainer da so durch den Kopf?
KOLLER: Ich habe nur gelesen, beim Fußball-Teamchef Koller wäre das nicht passiert.

Herr Koller, wie österreichisch sind Sie geworden? Welche Merkmale haben Sie sich angeeignet, oder sind Sie da resistent?
KOLLER: Ich möchte schon das Leben in Wien genießen. Aber ich versuche auch, gegen die österreichische Mentalität anzukämpfen, gegen diese Genügsamkeit, dieses "Passt schon, schau'n wir mal", weil ich ja auch erfolgreich sein möchte. Ich merke beim einen oder anderen Spieler, dass ich den kitzeln und sagen muss, geh mal über deine Grenze, es wird sich lohnen. Und nicht zu sagen, es geht nicht mehr. Es geht immer mehr. Es geht weiter und es tut gut und es wird besser.

Ihre Diagnose lautet also: Der Österreicher steht sich mitunter selbst im Weg? Dass das ein Wesensmerkmal des Österreichers ist?
KOLLER: Das ist vielleicht ein bisschen hart ausgedrückt, denn es ist ja auch Kultur. Das haben sie ja von den Eltern mitbekommen. Es ist ja auch schön. Aber es stellt sich immer die Frage, wann und wo? Das ist der Weg, den ich verfolge. Wo ich auf den Schlauch trete und sage, so nicht. Da müssen wir drüberkommen.