Herr Koller, wie würden Sie ein Interview mit sich beginnen?

MARCEL KOLLER: Mit einer Fachfrage. Um mich wichtig zu machen und dem Koller zu zeigen, dass ich was von Fußball verstehe. Später würde ich versuchen herauszufinden, wie Marcel Koller tickt. Die Frage ist natürlich, wie viel er preisgibt.

Wie viel und wie tickt er?

KOLLER: Privat tickt er anders als in der Öffentlichkeit. Weil er nach vielen Jahren im Geschäft weiß, dass man, wenn man zu viel verrät, Gelegenheit bietet für Geschichten, die ausgeschlachtet werden. Aber auch ich mach' gern mal Blödsinn, doch den kriegen nur die mit, die ihn mitkriegen dürfen und sollen.

Sie haben ein zwiespältiges Verhältnis zu den Medien?

KOLLER: Ich bin aus der Zeit in Deutschland ein wenig Bildzeitung-geschädigt. Inzwischen aber habe ich mich mehr geöffnet, weil ich die Gegenseite besser verstehe. Ab und zu kommen jedoch Kollegen von Ihnen, sind unvorbereitet und erwarten, dass ich ihnen etwas liefere. Das spielt's nicht, eure Arbeit mach ich nicht auch noch.

Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie angekündigt, nah bei den Leuten sein zu wollen, in die Oper zu gehen und zum Heurigen. Passiert all das?

KOLLER: Ja, aber nicht in dem Ausmaß, dass ich gleich jede Einladung annehme. Erstens bin ich kein Societytyp, zweitens hab' ich eine Aufgabe hier. Ich soll das Nationalteam weiterbringen.

Um erfolgreich arbeiten zu können, muss man sich aber wohlfühlen. Ist Wien eine Wohlfühlstadt?

KOLLER: Absolut. Nicht zuletzt kulinarisch. Nur der Wind und der Nebel im Herbst sind nicht so ganz meins. Und die Berge fehlen mir.

Schönes Stichwort: Wie weit ist der Gipfel fürs Team denn noch weg?

KOLLER: Der ist noch im Nebel. Aber wer weiß, scheint nach der Qualifikation die Sonne und wir fahren zu WM 2014.

Ihre bisherige Bilanz ist mit drei Siegen, einem Remis und einer Niederlage recht positiv. Erfüllt Sie das mit Stolz? Mit Genugtuung?

KOLLER: Mit Freude. Weil ich sehe, die Jungs ziehen mit und entwickeln sich weiter.

Vor dem Deutschlandmatch wird vermutlich wieder oft das 3:2 von Córdoba strapaziert. Verklären die Österreicher zu sehr die Vergangenheit? Und bremst sie das?

KOLLER: Ja, das ist mir auch schon aufgefallen hier. Man schaut ein bisschen viel zurück hier und malt blumige Bilder, anstatt sich der Zukunft zu widmen. Aber Rückblick bedeutet Stillstand, was zählt, ist das Jetzt.

Wenn Sie von den Spielern sprechen, sprechen Sie immer von den "Jungs". Welche sind Ihnen denn die Liebsten? Pflegeleichte oder die mit den Ecken und Kanten? Anders gefragt: Macht ein Typ wie Arnautovic Spaß?

KOLLER: Ich mag alle, die uns helfen. Und wenn da sogenannte Schwierige dabei sind, versuche ich die so hinzubiegen, dass das Team wie ein Puzzle zusammenpasst. Und das macht durchaus Spaß.

Bei Scharner hat sich der Spaß aufgehört.

KOLLER: Das stimmt.

Ist man als Teamchef auch Erzieher?

KOLLER: Durchaus, aber ein Klubtrainer tut sich natürlich bedeutend leichter. Junge Leute müssen aber auch mal Fehler machen dürfen, um sich weiterzuentwickeln. Auch abseits des Platzes.

Sind diese jungen Leute reif genug, so viel zu verdienen?

KOLLER: Das wird man in 20 Jahren sehen, wenn sie noch etwas haben oder doch alles verprasst.

Kann einem Ausländer ein Nationalteam ans Herz wachsen, oder ist die Nation beliebig austauschbar?

KOLLER: Ich denke es kann, aber bisher war ich ja noch nie Teamchef. Fragt mich in zwei Jahren wieder.

Was erwarten Sie von der WM-Qualifikation?

KOLLER: Eine enge Kiste. Davonstürmen werden wir jedenfalls nicht. Wobei man von neun Punkten aus den ersten drei Spielen schon träumen darf. Träumen, nicht damit rechnen.