Große Ernüchterung hat sich bei vielen Sturm-Anhängern nach der 0:2-Niederlage im Hinspiel der zweiten Qualifikationsrunde der Europa League breitgemacht. Der SK Sturm könne sich die internationalen Auftritte sparen. Man wolle nicht eine Blamage nach der anderen sehen. Breidablik, Larnaka und jetzt Haugesund. Alles Mannschaften, die man als Sturm einfach eliminieren müsste.

Aber: Der SK Sturm ist nicht mehr der SK Sturm. Die glorreichen Zeiten sind vorbei. Sturm ist zu einem vergleichbaren Mittelklasseverein mutiert, ohne Charme. Das Besondere ist abhandengekommen. Trainerwechsel gehen plötzlich leicht von der Hand. Und die Mannschaft zeigt nach Heiko Vogel und Roman Mählich kein verändertes Verhalten auf dem Platz. Der Wille nach Erfolg mag da sein. Die Leistungen können mit all den vielen Lippenbekenntnissen allerdings nicht mithalten.

„Von blamabel sind wir weit entfernt, aber die Leistung war enttäuschend“, sagte der aktuelle Trainer Nestor El Maestro nach dem 0:2 in Haugesund. Die Trainingseinheiten des neuen Übungsleiters sind intensiv, für österreichische Verhältnisse. „International ist das üblich“, sagt der weit gereiste Jakob Jantscher.

Dieselben Spieler

Wie kann die Leistung der Mannschaft aber viel anders aussehen? Die Spieler sind dieselben wie in der Vorsaison. In Haugesund war einzig Emanuel Sakic neu. El Maestro muss sich gleich nach dem „ersten seriösen Spiel“, wie er sagt, schützend vor die Mannschaft stellen. Der Wille sei da gewesen, das Spielglück nicht. Ein Lattenschuss und ein nicht gegebener Elfmeter werden als Erklärung herangezogen. Die fehlende Konsequenz und Klarheit sowohl im eigenen als auch im gegnerischen Strafraum können dennoch nicht geleugnet werden. Fehlerhaftes Spiel in der Defensive, leichtfertig vergebene Chancen in der Offensive ergaben die Niederlage in Norwegen. Er sei auch kein Wundertrainer.

Überhaupt werde der Trainereffekt „vor allem im deutschsprachigen Raum überschätzt“. Dann hätte man Vogel und Mählich also gar nicht eliminieren müssen? Unter Umständen. Ob die Gründe beider Abschiede inhaltlicher Natur gewesen waren, ist zudem mehr als fraglich. Waren vielleicht die Kündigungen günstiger, als Teile des Kaders auszutauschen? Wohl kaum. Denn jeder Trainer bevorzugt eine eigene Art von Spielern. Und nach und nach wird nachgerüstet und umgebaut. Das belastet klarerweise das Budget von Sturm. Höher, als vielen klar war.

"Top-Top-Stürmer"

Der aktuelle Kader hat den vorgegeben budgetären Rahmen für die Saison 2019/20 längst überschritten – mit dem Okay des Vorstandes. Investitionen sollen den Kader qualitativ verbessern. Mit Thorsten Röcher und Christoph Leitgeb setzte Sturm auf Altbewährtes, Risiko wie im Vorjahr (Filipe Ferreira) wurde tunlichst vermieden. Es braucht Erfolge, auch bei den Transfers. Mit Bekim Balaj kam der „Top-top-Stürmer“, wie Geschäftsführer Günter Kreissl sagt (siehe Interview). Der Transfer muss sitzen, sonst wird wohl schon bald ein neuer Sessel frei.

Alles in allem sollte man die Zukunft des SK Sturm nicht vollkommen schwarz sehen. Erfüllt Balaj ansatzweise die Erwartungen von Kreissl und El Maestro, haben die Grazer in der Offensive eine Waffe. Gepaart mit den Fähigkeiten der Neuen, Leitgeb und Röcher, sowie Kapitän Stefan Hierländer und Otar Kiteishvili ist Sturms Leistungsstärke höher zu bewerten. Wann der vermeintlich stärkste Kader zur Verfügung steht, ist unklar. Auf jeden Fall noch nicht am Sonntag (17 Uhr), wenn St. Pölten zum Bundesliga-Start in Graz gastiert (6300 Tickets sind verkauft). Klar ist: Die Mannschaft muss sich in jedes einzelne Spiel verbeißen. Nur so kann der SK Sturm wieder etwas Besonderes werden.