Das historische 6:1 im Wiener Fußball-Derby zwischen Austria und Rapid hatte einen unrühmlichen Nebenschauplatz. Denn 1338 Rapid-Anhänger wurden von der Polizei stundenlang zu Identitätsfeststellungen vor dem Stadion angehalten - ein Vorgehen, das der Polizei nun Kritik einbringt. Rapid prangerte mangelnde Verhältnismäßigkeit an und sprach von einem "skandalösen Vorgehen".

Auslöser für das Vorgehen war laut Polizei, die rund um das Match mit 550 Beamten im Einsatz war, die zehnminütige Sperre der Wiener Südosttangente (A23) im Vorfeld des Derbys. Laut Angaben der Exekutive hatten bereits als Risiko-Fans bekannte Männer pyrotechnische Gegenstände, Getränkedosen und Schneebälle auf die meistbefahrene Autobahn Österreichs geworfen, die unmittelbar an der Generali Arena der Austria vorbeiführt. Die Polizei überprüfte daraufhin die Identität von 1.338 Personen, die am Rapid-Fanmarsch hin zum Stadion teilgenommen hatten.

"Rechtshilfe Rapid" überlegt Schritte

Einige Quellen, unter anderem die "Rechtshilfe Rapid", die sich als "Solidargemeinschaft von Fans für Fans des SK Rapid" bezeichnet, berichteten, dass die Amtshandlungen erst um kurz vor 22 Uhr - und damit knapp sieben Stunden nach Beginn der Einkesselung - abgeschlossen worden waren. Erst dann konnten die Fußballfans nach Hause gehen. "Die Verhältnismäßigkeit war unserer Meinung nicht gegeben", sagte Vorstandsmitglied Helmut Mitter. Mitter kritisierte ebenfalls das Vorgehen der Beamten.

Laut Mitter mussten die Personen bis zu sieben Stunden lang "bei minus zwei Grad mit einer Schneeunterlage" in der Kälte ausharren. "Man kann sich vorstellen, was das kreislauf- und kältetechnisch mit dem Körper macht", sagte er.

Die Teilnehmer des Marsches seien bunt durchmischt gewesen. "Da war alles dabei: Männer, Frauen, Jugendliche und Ältere", beschrieb Mitter. Eine Mutter habe etwa mit ihrer 13-jährigen Tochter "fünf Stunden in der Kälte stehen müssen", kritisierte er. Anwälte der Rapid-Fanclubs hätten zudem urgiert, dass die Festgehaltenen wenigstens mit Heißgetränken und Decken versorgt werden sollten. Dies sei aber seitens der Polizei abgelehnt worden. Den Fans sei sogar der Gang auf die Toilette verwehrt worden.

Auch die Versorgungskette habe nicht funktioniert. Rettungskräfte, die von Teilnehmern des festgesetzten Marsches selbst via Handy verständigt worden waren, wurden Mitter zufolge mit dem Verweis auf eigene Sanitäter von der Polizei wieder weggeschickt. 17 Personen hätten nach dem Einsatz stationär behandelt werden müssen.

Die "Rechtshilfe Rapid" will nun noch weitere Informationen zu dem Einsatz sammeln. Dann will die Organisation eine Maßnahmenbeschwerde gegen den Einsatz einbringen.

Das sagt der Rapid-Präsident

Rapid-Präsident Michael Krammer übte am Montag scharfe Kritik am Vorgehen. "Ich habe als ehemaliger Offizier des Bundesheers großes Verständnis für rechtsstaatliche Prinzipien. Was ich am Sonntagabend erlebt habe, hätte ich aber im Rechtsstaat Österreich nicht für möglich gehalten", wurde Krammer in einer Aussendung des Clubs am Montagvormittag zitiert. "Hier war keinerlei Verhältnismäßigkeit gegeben, Menschen über Stunden bei Minusgraden einer solchen Situation auszusetzen, halte ich für skandalös."

Laut Polizei sei der Einsatz ohne gröbere Zwischenfälle abgelaufen. Es mussten "lediglich drei Personen von der Rettung abtransportiert werden". Laut Rechtshilfe Rapid wurde der zur medizinischen Versorgung zwischenzeitlich angerückte Katastrophenzug des Roten Kreuzes aber unverrichteter Dinge wieder weggeschickt. "Die Polizei verweigert eine medizinische Versorgung", heißt es in einem diesbezüglichen Tweet. Dies deckt sich mit Club-Angaben. "Den perlustrierten Personen, darunter auch Kinder, Frauen und ein Mädchen, das aufgrund einer Diabetes-Erkrankung insulinpflichtig ist, mussten ohne Versorgung (Getränke oder Essen) und ohne Möglichkeit sanitäre Anlagen aufzusuchen, dort verharren."

Der Einsatz endete mit zwei Anzeigen. Laut Polizei gab es eine Anzeige wegen vorsätzlicher Gemeingefährdung und eine verwaltungsrechtliche Festnahme. Zahlreiche pyrotechnische Gegenstände, darunter "eine Rauchgranate polnischen Fabrikats" seien sichergestellt worden. Krammer: "Egal ob ein Gegenstand oder mehrere, so eine Aktion ist natürlich ohne Wenn und Aber zu verurteilen."

In Fankreisen und in den sozialen Netzwerken wurde über eine geplante Retourkutsche der Polizei auf eine Anti-Polizei-Choreografie gemutmaßt. Vor dem Anpfiff des Europa-League-Spiels am vergangenen Donnerstag - dem 13.12. - hatte die organisierte Fanszene tribünenübergreifend in großen, grünen Lettern den Schriftzug "1312" präsentiert. Ein Code für die Abkürzung "ACAB", die für die Beschimpfung "All Cops Are Bastards" steht. Die Justiz stellte am Montag gegenüber der APA klar, dass der Einsatz nicht von ihr angeordnet worden sei.

Wiens Landespräsident Gerhard Pürstl hatte sich noch am späten Sonntagabend in einer Aussendung zu Wort gemeldet. "Gewalt hat auch beim Fußball nichts verloren. Die Wiener Polizei ist dieser entschieden entgegengetreten", wurde Pürstl zitiert. Er wünscht sich nun, dass der Verein "gegen alle gewaltbereiten Fans, soweit sie ihm bekannt sind, konsequent, auch mit Stadionverboten, vorgeht".

Krammer prangerte den Generalverdacht gegenüber über 1300 Personen an. "Ich stimme dem Landespolizeipräsidenten absolut zu, dass Gewalt auch im Fußball nichts verloren hat. Daher sollten jene zur Verantwortung gezogen werden, die sich in diesem Zusammenhang strafbar machen, aber nicht über 1.300 Personen unter Generalverdacht gestellt und über Stunden unter menschenunwürdigen Umständen festgehalten werden."