Am Donnerstag ist es so weit: Frankfurt gegen Salzburg, Europapokal. Und ja, da war doch einmal was, 26 Jahre ist es schon her. 1994 war es die Salzburger Austria, die elf Jahre später zum FC Red Bull Salzburg wurde, die im UEFA-Cup-Achtelfinale den deutschen Bundesligisten Eintracht Frankfurt eliminierte und schließlich bis ins Finale kam. Es war mehr als ein Fußball-Sommermärchen, es war die Wiederauferstehung des österreichischen Fußballs, die eine Nation begeisterte.

Den Ursprung des Märchens – nach Siegen über Dunajska Streda (2:0, 2:0), Royal Antwerpen (1:0, 1:0) und dem Verlängerungskrimi gegen Sporting Lissabon (0:2, 3:2 n. V.) – bildete das epische Duell gegen Eintracht Frankfurt. Ein Aufeinandertreffen, das schon nach dem Los elektrisierte und die Entscheidung nach sich zog, nach Wien zu gehen. Eine Entscheidung, die auch Otto Konrad damals zunächst nicht begeisterte. „Aber ich habe mich getäuscht“, sagt er und seufzt, „es war richtig – alle sind mitgekommen.“

Das Wiener Stadion war voll, die Salzburger siegten durch ein Tor des heutigen Frankfurt-Trainers Adi Hütter 1:0. „Es war“, erinnert sich Konrad, „ein Spiel auf Augenhöhe – obwohl wir als krasser Außenseiter in die Partie gegangen waren.“

Keine guten Voraussetzungen fürs Rückspiel

Es folgte das Rückspiel in Frankfurt, unter denkbar schlechten Voraussetzungen: Heribert Weber und Christian Fürstaller, die Abwehrrecken, waren gesperrt, Trainer Otto Baric musste nach einer Spuckattacke im Spiel davor von der Tribüne aus zusehen, wie Frankfurts Maurizio Gaudino in der 23. Minute traf, wie Peter Artner nach 43 Minuten Gelb-Rot sah – und wie seine Mannschaft sich in die Verlängerung rettete und auch dort bestand.

„Ich sagte direkt nach dem Schlusspfiff der Verlängerung zu Heimo Pfeifenberger: Egal, wie es ausgeht – das war schon eine großartige Leistung“, sagt Konrad. Es folgte mehr: Konrad hielt den Elfer von Gaudino, „aber Wolfgang Feiersinger hat seinen prompt aus dem Stadion geflankt“, erzählt er, das Adrenalin schießt ihm auch 26 Jahre später wieder durch die Adern, scheint’s.

4:4 nach jeweils fünf Elfern

4:4 stand es nach fünf Elfmetern beider Teams. Otto Konrad nützte die Pause, schoss einen Elfer aufs leere Tor – und verfehlte es. „Den sollten sie nicht schießen lassen“, kommentierte Ulli Potofski auf RTL. Irrtum. Konrad: "Es war sogar der Irrtum des Abends, wie sich gezeigt hat." Denn zunächst hielt Konrad den Elfer von Manfred Binz. „Als ich noch ausgerollt bin, hab ich mir gedacht: Wahnsinn! Wenn wir den nächsten reinhauen, sind wir weiter.“ Konrad stand auf, ging weg. Blieb stehen. „Ich hab mir gedacht: Was heißt wir? Ich hau' ihn rein.“ Er drehte um, stellte sich dem zaghaft zum Elfer gehenden schützen Thomas Winklhofer in den Weg. „‚Geh weg, ich mach das‘, habe ich gesagt“, sagt Konrad. Und Winklhofer nickte: „O. k.“

Der doppelte Filmriss

„Ich wusste, ich wollte ins linke untere Eck schießen, aber im Anlauf merkte ich, dass Uli Stein dorthin sprang. Irgendwie haben es Kopf und Körper geschafft, zu reagieren. Ich hab in die Mitte geknallt.“ Der Rest? „Es hat unendlich lange gedauert, bis sich das Netz gebauscht hat. Da war mir dann klar, wir haben gewonnen!“ Und dann? „Filmriss“, sagt Konrad und zuckt mit den Schultern. „Ich kann mich an nichts erinnern. Keine Interviews, nicht, dass ich mein Trikot ins Publikum warf. Erst, dass ich in die Kabine ging, mich in mein Eck setzte, weiß ich wieder. Hätte mich wer angeschrien, ich hätte geheult“, erzählt er. Es ist der Moment, in dem ein ORF-Team die Kabine enterte, filmte. Konrad: „Das weiß ich noch.“ Und dann? „Wieder Filmriss!“

Erst am Flughafen kehrt die Erinnerung zurück

Erst die Landung in Salzburg, als mitten in der Nacht 5000 Fans ihre Helden empfingen, ist wieder klar im Kopf gespeichert. Ebenso wie die folgenden Erlebnisse, Erfolge. Erinnerungsblitze, die durch den Kopf schießen, eine Nation, die Salzburg war. „Fußball war wie ein trockener Schwamm, den wir mit Wasser füllten. Österreich war sehnsüchtig nach Erfolgen“, sagt Konrad.

Wie er heute den Elfer sieht? „Würde ich mit all dem Wissen, was danach kommt – im Positiven wie im Negativen – schießen? Ich glaube nicht.“ Aber später, im Gespräch mit einem Psychologen, wurde klar: "Es war einfach mein Charakter. Ich habe oft nicht gefragt, was passieren kann, ich habe einfach gemacht. Ich bin eben bereit, Verantwortung zu übernhemen!", erklärt der Steirer.

Otto Konrad heute, hier mit Frau Silke
Otto Konrad heute, hier mit Frau Silke © GEPA

Ein Elfer als Ausgangspunkt einer Familie

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass dieser Moment bei vielen gespeichert ist: „Ich werde immer wieder darauf angesprochen, jetzt erst recht“, sagt Konrad. Die schönste Geschichte: „Eine Frau erzählte mir, dass sie nach meinem Elfer in einem Lokal vor Freude den Burschen hinter sich umarmt und gebusselt hat – sie sind nach wie vor verheiratet und haben zwei Kinder.

Und die Gegenwart? „Wir würden gegen ein heutiges Spitzenteam zehn Stück kriegen, so sehr hat sich alles gewandelt. Obwohl? Auch wir haben auf Fehler des Gegners gewartet, sie provoziert. So gesehen haben wir das heutige Pressing irgendwie auch schon praktiziert – nur ein wenig anders.“ Aber, darauf legt sich der Ex-Tormann fest: "Wenn heute einer tatsächlich unsere Mannschaft mit einer heutigen vergleicht, dann outet er sich als Nicht-Experte!"