Die Ankündigung von Präsident Michael Krammer, Ende 2019 nicht mehr zu kandidieren, überraschte viele. Der 58-Jährige sieht die aktuelle Situation nicht so schlecht. "Das Glas ist schon noch halbvoll."

Die Hütteldorfer tanzen noch auf drei Hochzeiten. "Wir haben im Cup schon zwei Erstligisten ausgeschaltet, jetzt kommt der dritte, da ist die Chance auf den Titel noch da und in der Europa League spielen wir auch noch um den Aufstieg mit", erinnerte der Club-Boss. Die Performance in der Liga ist nicht zufriedenstellend, fünf Punkte fehlen nach 15 Runden auf die Meisterrunde. "In der Liga haben wir das durchaus ambitionierte Ziel über den Strich zu kommen, da müssen wir alles dafür tun", forderte Krammer. Gedanken an eine Teilnahme am unteren Play-off schob der Rapid-Präsident beiseite. "Mit dem beschäftige ich mich derzeit nicht, wir haben noch sieben Spiele, es sind noch 21 Punkte zu holen."

Bis zum Winter geht es noch auswärts gegen Innsbruck, zu Hause gegen Sturm Graz und auswärts im Derby gegen die Austria. Danach könnte auch feststehen, ob man sich zu einer Vertragsverlängerung mit Sport-Geschäftsführer Fredy Bickel durchringen konnte. Der Vertrag des Schweizers läuft im Sommer aus. Die Thematik werde laut Krammer auf einer Präsidiumssitzung in 14 Tagen behandelt.

Die Vorzeichen deuten auf eine Verlängerung hin, auch da Krammer "Kontinuität" in diesem Bereich sehr wichtig ist. Sollte es zu einem Abschluss kommen, wird der neue Kontrakt eine beiderseitige Ausstiegsklausel beinhalten. Das auch, da 2020 ein neuer Präsident übernimmt. "Aus Fairnessgründen muss man sagen, dass der Sportchef das Recht haben muss zu sagen, in der Konstellation nicht, und das Präsidium muss genauso dieses Recht haben. Da müssen wir eine Lösung finden und werden wir auch", blickte Krammer optimistisch voraus.

Bickel hatte in der Vergangenheit immer wieder das gute Verhältnis zu Krammer betont. Dessen Rückzug nach 2019 aus privaten Gründen könnte sich auf die Zukunftsentscheidung des Schweizers auswirken. "Ich habe immer gesagt, dass ich erst entscheiden werde, wenn sich der Präsident entschieden hat. Ich bin aber nur eine Partei, es gibt auch immer noch ein Präsidium, das entscheiden kann, ob es mit mir weitermachen will oder nicht", ließ sich Rapids Sportchef alles offen.

Einen vorzeitigen Rücktritt schloss er trotz "unglaublicher Negativspirale", in der man sich seit Monaten befinde, aus. "Ich werde es aus tiefst persönlichen Gründen sicher diesem Präsidenten nicht antun, dass ich vorher weglaufe", betonte Bickel. Es gelte mit aller Kraft bis nach der 22. Runde zumindest Platz sechs zu erreichen. "Mein größtes Ziel wäre der Cupsieg, den möchte ich ihm unbedingt zum Abschied schenken", verlautete Bickel.

Wer nach Krammer das Ruder in die Hand nimmt, steht in den Sternen. Im Sommer 2019 wird beim Mitgliedertreffen das sechsköpfige Wahlkomitee gewählt. Das wird darüber befinden, welche Listen zur Wahl antreten können und eine Vorselektierung vornehmen. "Es ist in meinem größten Interesse, dass das, was begonnen wurde, entsprechend fortgeführt wird", sagte der Club-Chef. Er hat eine konkrete Vorstellung seines Nachfolgers. "Es sollte jemand sein, der eine ganz starke Rapid-Verbundenheit hat, aber nicht nur das Herz und den Bauch denken lässt in dem Zusammenhang, sondern auch das Hirn einschaltet und die eine oder andere Grundrechenart beherrscht. Und es sollte nicht jemand sein, der es deshalb macht, dass er mehr persönlichen Status erreicht", skizzierte Krammer.

"Keine großen Unmutsäußerungen"

Den Verlauf der mehr als dreistündigen Hauptversammlung, bei der auch ein Antrag eingebracht wurde, dass zukünftig im Präsidium mindestens ein Mitglied mit sportlichem Hintergrund vertreten sein soll, bezeichnete er als okay. "Es hat keine großen Unmutsäußerungen während der Ansprachen gegeben. Dass einige Mitglieder die Plattform nutzen, um das zu sagen, was sie schon immer sagen wollten, ist normal", schilderte der Niederösterreicher. Bickel sah es ähnlich. "Es war logisch, dass Kritik kommen wird. Das war bestimmt auch berechtigt nach den Resultaten in den letzten Monaten, aber im Großen und Ganzen im Rahmen."

Nicht gutgeheißen wurde von einigen Fans, dass die Rapid-Spieler nach den Berichten und somit vor der Fan-Fragerunde den Saal verlassen hatten. "Es wurde im Vorfeld viel darüber diskutiert. Wir haben unheimlich wichtige Spiele vor uns und deshalb die Entscheidung getroffen, dass die Mannschaft nach den Berichten gehen wird und damit etwas Positives mitnimmt", erklärte Bickel. Schon am Donnerstag gilt es in Moskau die Europa-League-Chance zu wahren. "Ich bin nicht der Psychologe der Mannschaft, aber ich glaube fast, da ist kein Druck da draußen. Das kann durchaus positiv ausgehen", sagte Krammer in Hinblick auf das Duell mit Spartak.

Rapid überlegt Einstieg in Frauenfußball

Rapid überlegt auch den Einstieg in den Frauenfußball. "Wir haben ein Projektteam, das sich intensiv mit der Materie auseinandersetzt", sagte der Präsident ebenfalls im Rahmen der Hauptversammlung. 2019 werde man das Thema intensiver behandeln. Eines steht aber schon jetzt fest. "Eine halbseidene Lösung wollen wir nicht", betonte der 58-Jährige.

Es wird keine Lösung mit einem Kooperationsclub geben. "Entweder wir machen es gescheit, mit einer eigenen Mannschaft, oder wir lassen es", erläuterte Krammer. Für den Einstieg gebe es laut dem Niederösterreicher die Varianten "ganz unten" oder "mittels Sondergenehmigung in der dritten Liga". Der Startschuss würde frühestens 2021 fallen. "Wir werden evaluieren, ob wir Frauenfußball bei Rapid implementieren oder nicht. Ganz klar ist für uns, dass erst dann die Möglichkeit besteht, wenn wir das neue Trainingszentrum haben", sagte Krammer. Das soll im Herbst 2021 fertiggestellt sein und in Betrieb gehen.