Profi-Fußballer stehen im Fokus der breiten Fanmasse. Sie werden ob ihrer sportlichen Fähigkeiten geschätzt, geliebt und mitunter sogar vergöttert. Weniger gut sieht es meist mit der Wertschätzung in Bezug auf den Menschen dahinter aus. „Fußballer haben nicht viel im Kopf“ hört man deshalb nicht nur von Kritikern des runden Leders.

Definitiv nicht angesprochen muss sich György Garics fühlen. Der 34-Jährige, der seine Profikarriere 2016 nach 287 Erstligaspielen in Österreich, Italien und Deutschland beendet hat, hebt sich von der Masse ab. Aus dem Fußballer ist ein „kleiner Unternehmer“ geworden. Garics besitzt mehrere Eigentumswohnungen in Wien, die er vermietet („Die Erste habe ich mit 21 Jahren gekauft“). Dazu betätigt er sich als Teilhaber einer Juwelierfirma, die besondere, verstellbare Ringe herstellt: „Das ist Topqualität im Luxusbereich. Michelle Hunziker oder Denzel Washington zählen zu den Kunden.“

Der eigene Chef

Richtig anpacken muss der 41-fache ÖFB-Teamspieler aber bei zwei anderen Projekten. An der Amalfiküste eröffnet er zu Ostern ein Hotel, in Neapel 2021 ein Sportzentrum, das auf 7000 Quadratmetern Fußball-, Tennis- und Padel-Tennisplätze beherbergt. „Meine Frau kommt aus Neapel, geheiratet haben wir an der Amalfiküste. Wir haben gemeinsam eine GmbH gegründet. Ich will mir nicht von anderen Investoren dreinreden lassen, vertraue da niemandem. So bin ich mein eigener Chef“, sagt der frühere Rechtsverteidiger. „Es ist heutzutage ohnehin schwierig, etwas auf die Beine zu stellen, weil Großkonzerne immer mehr zu sagen haben.“

Es überrascht wenig, dass Garics diesen Weg eingeschlagen hat. Er war schon während seiner Fußballerkarriere bekannt dafür, klar seine Meinung kundzutun. Das geschah bei Josef Hickersberger genauso wie bei Antonio Conte oder Marcel Koller. Alle schätzten diese direkte Art. Einzig mit Ex-Teamchef Didi Constantini kam Garics nicht klar und kritisierte ihn öffentlich heftig („Er hat keine Eier, mir zu sagen, den Garics brauche ich nicht. Er hat versucht, mich öffentlich hinzurichten, weil er mich nicht als Fußballer, sondern als Mensch kritisiert hat“). Dazu steht der zweifache EM-Teilnehmer auch heute noch: „So etwas machen echte Männer nicht.“

Deutsch auf eigene Faust

Apropos echter Mann: Als solcher entpuppte sich Garics schon früh. Als er im Jänner 1998 in seinem ungarischen Heimatort Szombathely die Zusage bekam, ab September nach Wien zu übersiedeln, um im Rapid-Nachwuchs anzufangen, überließ der damals 13-Jährige nichts dem Zufall. Neben der Schule nahm er zusätzlich einmal pro Woche deutschen Sprachunterricht. Es sollte sich auszahlen. In Wien maturierte Garics als einziger Fußballer mit Auszeichnung. „Mir war die Schule immer wichtig. Es gibt so viele Dinge, die man für das so komplexe Leben lernen kann. Je mehr man weiß, desto einfacher sind Ziele, auch im tagtäglichen Leben, zu erreichen. Klar bin ich auch nicht immer gerne in die Schule gegangen, aber ich habe gerne etwas gelernt. Bildung kann niemals schaden.“

Auf Unverständnis stößt bei Garics, der mit 19 Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt, die Tatsache, dass immer mehr jugendliche Fußballer in Erwartung einer Profikarriere die Schule abbrechen. „Den Jugendlichen gebe ich gar nicht die Schuld, eher den Eltern. Viele glauben ans schnelle Geld. Aber keiner will mehr schwitzen, leiden oder Opfer bringen. Selbst wenn du ganz oben stehst, kann es schnell bergab gehen. Es gibt Verletzungen oder finanziell schlechte Entscheidungen und das Geld ist weg. Nach der Karriere braucht man ein zweites Standbein“, sagt Garics. „Es ist nicht nur beim Fußball schlimm. Die Jungen sehen in den sozialen Medien ein paar Idioten, die den ganzen Tag wenig tun und dafür etwas Geld verdienen. Aber das versuchen Millionen und schaffen nur einige.“

Dem Fußball viel zu verdanken

Mit dem Profifußball hat der Familienvater abgeschlossen, auch wenn er ihn als Art Lebensschule sieht. „Wie ich als Mensch bin und finanziell dastehe, habe ich dem Fußball zu verdanken. Aber früher bestand der Fußball aus 90 Prozent Sport und 10 Prozent Geschäft. Heute ist es genau umgekehrt“, erklärt Garics, der mit seiner Familie in Bologna lebt. „Es gibt viele Wechsel, bei denen viele Leute mitverdienen, die Identifikation fehlt. Aber das wollen auch die Vereine, weil das wirtschaftlich profitabler ist. Es gibt tolle Stadien und Übertragungen. Die Qualität geht jedoch zurück. Und das ist in allen Ländern gleich. Der Fußball passt sich der Wegwerfgesellschaft an. Aus allen Ländern werden die besten Spieler zusammengeschaufelt. Wenn jemand nicht einschlägt, wird er ,weggeworfen‘. Eine ,Reparatur‘ steht gar nicht zur Debatte.“

Dem Sport allgemein („Der ist mein Leben“) bleibt Garics treu: „Mit dem Sportzentrum, dem Traum meines verstorbenen Vaters, will ich etwas zurückgeben. Hoffentlich bietet es vor allem für junge Leute eine Alternative, nicht ständig vor dem Computer zu sitzen.“ Wie schon erwähnt: Garics ist sicher ein Grund, nicht alle Fußballer in einen Topf zu werfen.