Ajax Amsterdam will in der Champions League den größten Erfolg eines Außenseiters seit 15 Jahren schaffen. Nach ihren Aufstiegen über Titelverteidiger Real Madrid und Juventus Turin spielt der niederländische Traditionsclub gegen Tottenham um den Einzug ins Finale. Das Halbfinal-Hinspiel findet heute (21.00 Uhr/live Sky Sport) in Nordlondon statt.

Der Sieger des Duells wird Historisches schaffen. Tottenham stand zuletzt 1962 im Meistercup im Halbfinale. Weiter haben es die Spurs im höchsten Europacup-Bewerb nie geschafft. Ajax holte 1995 in Wien den Titel, verlor ein Jahr später im Finale gegen Juve und stand 1997 noch einmal im Halbfinale. Die Niederländer könnten mit dem Sprung ins Endspiel schaffen, was seit dem FC Porto (Titel 2004) keinem Club außerhalb von Europas Top-Fünf-Ligen gelungen ist. Mut sprach ein Ex-Star zu. "Wenn man Real und Juventus schlagen kann, muss man vor keinem Gegner mehr nervös werden", sagte Patrick Kluivert, der Goldtorschütze des Finales von 1995, im "Telegraaf".

Ajax ist gewachsen

Nach ihren verdient eingefahrenen Aufstiegen ist das Selbstvertrauen der Amsterdamer ohnehin groß. "Wenn wir unsere höchstes Niveau erreichen, ist Tottenham ein Gegner, der uns liegen kann", sagte Lasse Schöne. Der Däne ist mit 32 Jahren älteste Stammkraft von Ajax. Gemeinsam mit Jungstar Frenkie de Jong organisiert er das Mittelfeld. Der Erfolg komme nicht von irgendwo, betonte Schöne. "Das ist nicht nur passiert. Wir sind gewachsen. Und nun fühlen wir, dass wir auch das Finale erreichen können."

Stehen der im Sommer zum FC Barcelona wechselnde de Jong oder der 19-jährige Kapitän Matthijs de Ligt im Rampenlicht, ist es nicht nur die junge Welle, die Ajax in der Königsklasse so weit gespült hat. Im vergangenen Sommer, so berichtete Trainer Erik ten Hag, wurde nach dem verpassten Meistertitel festgestellt, dass Erfahrung fehlt. Geholt wurden deshalb Daley Blind (29) und Dusan Tadic (30). Beide sind Stützen des nun für Aufsehen sorgenden Teams.

"Wir wollen schönen, attraktiven Fußball spielen. So, wie es Johan Cruyff gefallen hätte", sagte Edwin van der Sar. Der nunmehrige Generaldirektor des Clubs war bei den großen Erfolgen Mitte der 1990er-Jahre im Tor dabei. Nun muss er die Mannschaft im Sommer wohl erneut formen. Neben de Jong dürfte auch de Ligt wechseln, Donny van de Beek, Hakim Ziyech oder David Neres sind weitere hoch gehandelte Aktien. Auch van der Sar könnte den Club verlassen. Manchester United möchte ihn offenbar als Geschäftsführer engagieren.

"Schlüsselspieler werden gehen. Es ist heutzutage unmöglich, eine Mannschaft wie unsere zusammenzuhalten", wusste ten Hag. Die "finanziellen Muskeln" der Clubs der kleineren Ligen würden im Vergleich zu den Topligen "Jahr für Jahr schwächer werden".

Vier Akteure, die Ajax in der Vergangenheit auf die Insel verkauft hat, sind bei Tottenham dabei. Christian Eriksen, Toby Alderweireld und Jan Vertonghen werden von Beginn an erwartet, dazu kommt noch Davinson Sanchez. Für den Dänen Eriksen ist es ein Wiedersehen "wie im Märchen". Eric Dier sah Tottenham deshalb gut gerüstet. "Wir kennen sie, weil einige von uns bei Ajax waren. Sie verdienen es, im Halbfinale zu stehen. Wir wissen, dass es schwer wird", sagte Englands Internationaler.

Tottenham ohne Son

Tottenham muss auf Stürmer Son Heung-min verzichten. Der Südkoreaner, im Viertelfinale Matchwinner gegen Manchester City, fehlt im Hinspiel aufgrund einer Gelb-Sperre. Mit Englands Teamkapitän Harry Kane ist ein weiterer Topangreifer verletzt. Trainer Mauricio Pochettino plagte auch die jüngste Niederlage. Am Wochenende verloren die Spurs gegen West Ham United mit 0:1 - es war die erste Heimpleite in der neuen Arena.

"Wir wollten mit gute Stimmung in die Champions League gehen, aber nun müssen wir einfach darüber hinwegsehen", sagte Pochettino nach der unerwarteten Niederlage. Der Argentinier machte "Stress und Müdigkeit" im aufreibenden Programm verantwortlich. "Das sind Umstände, die nicht die besten sind." In der Premier League kämpft Tottenham um ein Finish in den ersten vier, aktuell sind die Londoner auch dank Ausrutschern der Konkurrenten weiter Dritter. Ajax liegt in der Ehrendivision gleichauf mit Verfolger PSV Eindhoven an der Spitze.