Herr Foda, wie beurteilen Sie diese gewaltige Saison der Salzburger, vor allem auf europäischer Ebene und worin sehen Sie die Gründe dafür, dass es ihnen heuer so besonders gut geht?

Franco Foda: Um erfolgreich zu sein, müssen viele Parameter stimmen. Das ist im Moment bei Salzburg der Fall. Das fängt an beim Vorstand, geht über den Sportdirektor, Trainer bis zur Mannschaft. Man sieht einfach, dass die Mannschaft einen tollen Teamgeist hat, dass jeder dem anderen etwas gönnt. Jeder ist bereit, für den anderen mitzuarbeiten. Sie sind körperlich topfit, der Trainer hat die Mannschaft absolut im Griff, sie spielen auch sehr variabel. Das ist kein Zufall, sondern das Produkt langjähriger Arbeit.  Man sieht den Aufbau über Liefering, Salzburg und Leipzig. Das ist eine Strategie, die über mehrere Jahre entwickelt wurde und die jetzt Früchte trägt.

Das heißt, wir haben es hier nicht nur mit einem eingekauften Erfolg zu tun?

Nein, überhaupt nicht. In den Anfangsjahren haben sie teure Stars geholt, die aber schon auf dem absteigenden Ast waren. Das hat sich in den letzten zwei, drei Jahren verändert, weil mittlerweile alle Klubs in Österreich Ausbildungsvereine sind, Die besten Spieler gehen ins Ausland, das war ja auch in Salzburg der Fall, mit Mane, Kampl, Soriano, Keita, um nur einige zu nennen. Aber sie haben die Strategie verfolgt, dass sie immer junge Spieler hochziehen, die in Liefering ausgebildet wurden, wie mit Haidara, Schlager, Hwang. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Dass sie jetzt auch international so extrem gut performen, hängt damit zusammen, dass sie ein sehr starkes Gefüge haben, dass die Jungen sich außerordentlich schnell weiterentwickelt haben und dass sie über einen extrem guten Trainer verfügen.

Sehen Sie für die Salzburger eine Chance, ins Finale zu kommen? Was müssen sie dabei besonders berücksichtigen?

Fakt ist, dass man Salzburg alles zutrauen kann. Das haben sie in den letzten Spielen gezeigt. Es gibt einer Mannschaft Selbstvertrauen, wenn man schon einmal gespürt hat, dass man ein Spiel drehen kann, wie jetzt gegen Lazio Rom. Gut, die Ausgangsposition ist ein wenig schwieriger, weil nach dem 0:2 in Marseille das ominöse Auswärtstor fehlt, aber trotz allem traue ich ihnen zu, dass sie auch ins Endspiel kommen. Die Mannschaft wird euphorisch spielen, das Publikum steht voll dahinter. Da ist zu sehen, welche Begeisterung auch in Österreich entstehen kann, wenn es besondere Spiele gibt. Es wird nicht einfach, aber unabhängig davon, wie es ausgeht, haben sie international toll gespielt und den österreichischen Fußball top vertreten.

Im österreichischen Fußball liegen ja Himmel und Hölle nah beieinander. Gegen Dortmund kommen 30.000, dann müssen sie in der Bundesliga gegen Altach, WAC, St. Pölten wieder antreten vor 3000, 4000 Zuschauern. Ist unter diesen Bedingungen Spitzenfußball in Österreich auf Dauer überhaupt möglich?

Es ist immer möglich, aber man muss halt aus den Rahmenbedingungen das Optimum herausholen, das ist einfach so. Klar wäre es schöner, wenn die Stadien immer voll wären. Aber das hat nichts damit zu tun, wie die Klubs international auftreten. Im Gegenteil, die Spieler freuen sich ja dann besonders auf die internationalen Matches, und auf die besonderen Partien in der Liga.

Franco Foda stellte sich in Ehrenhausen den Fragen
Franco Foda stellte sich in Ehrenhausen den Fragen © Möstl

Ist es gut oder schlecht für ein Land, wenn ein Verein die Liga dermaßen dominiert?

Das ist in anderen Ligen auch der Fall, in England, Deutschland, Spanien. Du musst einfach immer versuchen, den Abstand möglichst gering zu halten oder ihn zu reduzieren. Mit Sturm ist das in den letzten zwei Jahren auch gelungen.

Es gibt das Problem, dass Salzburg im Sommer zahlreiche Spieler verliert, da sind sie in der Champions-League-Qualifikation schon an allen möglichen Teams gescheitert. Da hat es die Idee gegeben, den Kader über den Sommer beizubehalten und erst dann das Transferfenster zu öffnen. Wie sehen Sie diese Problematik?

Das wird in Österreich immer der Fall sein. Wenn eine Mannschaft erfolgreich spielt, weckt das Begehrlichkeiten. Ich habe festgestellt, dass der österreichische Markt für das Ausland extrem interessant ist. Du bekommst Spieler, die relativ günstig sind und es wird registriert, dass in den Akademien gute Arbeit geleistet wird. Das trägt Früchte. Es gibt auch in Österreich viele gute Talente. Irgendwann kommen die großen Ligen, dann hast du keine Chance, die Topspieler zu halten. Es gehen Talente aber auch nach Salzburg, weil sie das als Entwicklungssprung sehen. Das hat in den vergangenen Jahren sehr gut funktioniert.

Das heißt, die Behauptung, Salzburg sei eine monströse Marketingmaschine, ist Blödsinn?

Es gibt viele Mannschaften, die extrem viel Geld haben, aber wenig daraus machen. Man muss das Tiefgründige sehen, worauf der Herr Mateschitz, worauf sie bei Salzburg Wert legen. Nicht nur, dass sie die besten jungen Spieler holen. Da geht es um Ausbildung, um Betreuung. Da kommen welche aus Afrika, die haben Heimweh, die werden rund um die Uhr betreut. Sie sind sehr bemüht, dass es den Spielern gut geht. Sie bewerten die Spieler als Menschen. Wenn man das sieht, kann ich das tatsächlich nicht bestätigen.

Das heißt, Salzburg könnte auch hier als Vorbild für die anderen österreichischen Klubs dienen?

Man kann alles machen, auch in kleinerem Rahmen. Das ist immer möglich, auch wenn man nicht über die finanziellen Mittel von Salzburg verfügt. Es ist möglich, auch mit weniger viel zu erreichen. Das Wichtigste ist, dass man eine klare Struktur und einen klaren Plan hat. Und das über Jahre und nicht nur kurzfristig.

Welche Erwartungen haben Sie für die kommenden Länderspiele gegen die Weltklassegegner?

Also, wir freuen uns einmal auf diese Testspiele. Wir spielen gegen die besten Mannschaften der Welt, Deutschland ist aktueller Weltmeister, Brasilien hat die meisten Turniere gewonnen und Russland ist der Gastgeber. Was die Aufgabe schwieriger macht, ist die Konstellation in der Vorbereitung. Die Meisterschaften gehen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu Ende. Im Vorfeld müssen wir gut arbeiten, damit wir auch die Spieler, die schon im Urlaub sind, weiter in gutem Zustand halten. Da müssen wir eine gute Strategie entwickeln.

Welche Aufgabe ist die größte Herausforderung?

Alle. Es war auch eine Herausforderung, in Luxemburg zu gewinnen. Aber wir sind ebenso in der Lage, gegen diese Mannschaften zu bestehen. Das wollen wir auch und wir wollen mutig sein.

Was heißt Mut?

Wir müssen versuchen, unser Spiel durchzuziehen. Wir wissen, was Brasilien und Deutschland für Qualitäten haben, da gibt es schon einiges zu berücksichtigen. Aber wir wollen auch zeigen, was wir können, wir wollen entschlossen auftreten.

Was bedeutet es für Sie, gegen Ihr Herkunftsland anzutreten?

Generell ist dieser Lehrgang etwas ganz Besonderes. In Brasilien habe ich mein erstes Länderspiel gemacht. Für Deutschland habe ich selbst zwei Länderspiele absolviert. Jogi Löw war einmal mein Trainer in Stuttgart. Und gegen den russischen Teamchef Tschertschessow habe ich selbst noch gespielt. Das sind schon Besonderheiten.

Was kann dieses Nationalteam vom Erfolgsmodell Salzburg lernen?

Was Salzburg richtig gut macht, ist, wie sie diesen Spagat hinkriegen zwischen den großen Spielen und dem Alltag, wo sie dann vor 2000, 3000 Zuschauern antreten müssen. Trotzdem sind sie voll konzentriert, fokussiert und gewinnen ihre Spiele. Es kam kein Einbruch. Das kann man mitnehmen.

Braucht Wien ein neues Nationalstadion?

Es wäre sehr gut, wenn da etwas Neues entsteht. Das wird aber ohnehin diskutiert und ich glaube, dass da alle dafür sind. Es wäre der nächste Mosaikstein, um wieder einen Schritt nach vorne zu kommen.

90 Prozent Ihrer Spieler sind im Ausland aktiv. Ist diese Internationalisierung ein Problem, da im eigenen Land nur sehr wenige teamreif sind?

Die Liga wird schlechter gemacht, als sie ist. Man sieht, dass sich Spieler, die in Österreich funktionieren, auch im Ausland durchsetzen. Da gibt es einige Beispiele. Das spricht für die Liga. Jeder muss ja das Ziel haben, in einer der großen Ligen zu spielen. Und jene, die jetzt im Ausland sind, spielen auch tatsächlich, Das hat sich gegenüber früher verändert.

Wäre Zlatko Junuzovic wieder ein Thema, wenn er jetzt nach Salzburg kommt?

Er hat ja selbst aufgehört, auch aus privaten Gründen, das muss man akzeptieren?

Wäre das eine Ausnahme oder eine Trendwende, wenn jetzt ein 30-Jähriger geholt wird?

Es ist nicht meine Aufgabe, das zu bewerten. Die wissen schon, was sie tun. Aber generell ist es schon gut, wenn du einen erfahrenen Spieler hast. Wichtig ist, dass dieser dann noch hungrig ist, dass er noch etwas erreichen will. Sie müssen gierig sein.

Der deutsche Weltmeister Mertesacker hat kürzlich gesagt, der Druck im Fußball werde immer größer, Leute zerbrechen. Wie sehen Sie dieses Thema?

Druck ist natürlich da. Jeder geht damit anders um. Deshalb ist es für einen Trainer extrem wichtig heute, nicht nur eine Spielidee zu haben, sondern auch eine Philosophie, wie Menschen zusammenarbeiten müssen, um erfolgreich zu sein. Soziale Kompetenz spielt eine große Rolle. Du musst den Spielern Hemmungen nehmen, vielleicht auch den Druck. Zum Fußball gehören Siege, aber auch Niederlagen. Ein Trainer muss eigentlich alles können, ein Gefühl haben. Du musst es schaffen, an die Spieler heranzukommen. Und ich komme mit schwierigen Spielern relativ gut klar. Die Mannschaft steht im Vordergrund, aber du musst zu jedem einen anderen Zugang haben.

Wie ist es Ihnen gelungen, dem David Alaba seine neue Rolle schmackhaft zu machen?

Der David ist ein Superjunge. Ich bin persönlich zu ihm gefahren und er hat mir erklärt, wie gern er für Österreich spielt. Ich habe ihm meine Ideen erklärt und ich glaube, dass er im ersten Spiel alles sehr gut umgesetzt hat. Aber er kann mehrere Positionen gut besetzen, er hat viele Optionen.

Dulden Sie Star-Ruhm innerhalb der Mannschaft?

Nun, es bilden sich immer Hierarchien. Eigenheiten muss man einem lassen. Aber es gibt im Nationalteam Regeln, jedoch innerhalb dieser müssen sie sich auch frei bewegen können. Ich will ja, dass die Spieler auch auf dem Platz Freiheiten haben, um dort ihre Kreativität ausleben zu können. Marko Arnautovic ist auch ein intuitiver Spieler, der Dinge macht, mit denen keiner rechnet. Das macht ihn stark und diese Spieler liebe ich. Aber sie müssen wissen, dass sie auch für ihr Land auftreten und dementsprechend müssen sie sich dann auch verhalten. Auf dem Platz und außerhalb.

Wie ist ihr Verhältnis zu den Spielern? Sind Sie der kumpelhafte Typ oder der seriöse Vorgesetzte?

Alles. Ein Trainer muss unberechenbar sein. Die Spieler dürfen nie wissen, was kommt. Es hängt sehr von der jeweiligen Situation ab. Ein Spieler kann immer zu mir kommen, aber ein Trainer muss auch Entscheidungen treffen. Man muss die richtige Mischung finden.

Fußballnationalspieler erkennt man an den Kopfhörern und an den Beratern, die um sie herumschwirren. Ist das in Ihren Trainingslagern auch so?

Das ist die neue Generation, da sollte man nicht zu empfindlich sein. Es gibt klare Regeln, beim Essen etwa. Also dass sie hier kein Handy benutzen, sondern normal kommunizieren. Wir haben ja früher auch ohne Handy gelebt.

Sie haben italienische und deutsche Wurzeln, leben aber schon sehr lange in Österreich. Wer sind Sie?

Ich glaube, ich habe von allem etwas. Durch meine Zeit in Österreich bin ich wohl gelassener geworden in vielen Situationen.

Als etwas typisch Deutsches gilt die Siegermentalität. Wie sehr ist es möglich, den Österreichern eine solche beizubringen?

Ich habe immer klare Ziele und ich glaube, dass du intern die Ziele klar formulierst. Wenn du dir kein Ziel steckst, kannst du danach nicht enttäuscht sein.

Was ist Ihr Ziel?

Ich will versuchen, in der Nations League zu gewinnen und dass wir uns für die EM und WM qualifizieren. Ich will auch die nächsten Spiele gewinnen, egal, wie groß der Gegner ist. Der Glaube ist wichtig.