Die Zeit liegt noch nicht allzu lange zurück. Vor zwei, drei Jahrzehnten, als der Homo fußballiensis noch nicht notwendigerweise tätowiert sein musste, um gut zu erscheinen, war Ajax Amsterdam eine der ersten Adressen im Klubfußball. Beispielgebend für die meisten Vereine in Europa, wurden junge Burschen in klubeigenen Ausbildungszentren zu Top-Kickern geformt. Namen, die auf der Zunge zergingen und das heute noch tun: Marco van Basten, Dennis Bergkamp, Patrick Kluivert, Clarence Seedorf, Edwin van der Sar, Ronald Koeman, Wesley Sneijder, Edgar Davids und, und, und. Nachdem die Jung-Stars als Einheit aufgetreten waren und sich beim Klub mit Titeln bedankt hatten, machten sie allesamt Top-Karrieren bei internationalen Top-Klubs.

Um die Weitsicht, die die ausgezeichnete Nachwuchsarbeit brachte, zu unterstreichen: Ajax ist neben Bayern, Juve und Chelsea der Vierte im Bunde, der die Champions League (1971–1973, 1995), den UEFA-Pokal (1992) und den Europapokal der Pokalsieger (1987) gewinnen konnte.

Neun von elf Eigengewächse

Am Mittwoch kommt Ajax ins Ernst-Happel-Stadion, zurück an die Stätte des größten Triumphes. Frank de Boer, der heutige Trainer, war dabei vor 20 Jahren, als die Niederländer unter Louis van Gaal den AC Milan 1:0 besiegten und die Königsklasse für sich entschieden. Neun von elf Spielern, die von Beginn an auf dem Feld standen, hatten bereits für Nachwuchsmannschaften des Klubs gespielt. Darunter der Torschütze Patrick Kluivert.

Zahlreiche junge ausländische Kicker gingen den umgekehrten Weg und kamen nach Amsterdam, um Ajax als Sprungbrett für Weltkarrieren zu nutzen. Der Finne Jari Litmanen zum Beispiel oder Michael Laudrup, Luis Suarez, Zlatan Ibrahimovic. Nachdem die Legionäre ihr Talent unter Beweis gestellt hatten, wurden sie rasch abgeworben. Zu rasch für das System Ajax, das seit ein paar Jahren unter der Kurzlebigkeit des Geschäfts leidet. Die Jungen haben nicht mehr die Möglichkeit, zusammenzuwachsen, eine Mannschaft zu werden. Sobald ein 18-Jähriger zwei Tore schießt, ist er weg. Goalie Jasper Cillessen ist mit einem Marktwert von elf Millionen der teuerste im Kader. Auch in der Liga bläst dem Rekordmeister eine steife Brise entgegen. Nach vier Titeln in Folge landete Ajax in der vorigen Saison hinter PSV Eindhoven auf Platz zwei. Rückstand: 17 Punkte.

Dennoch wird der nunmehrige Ausbildungsverein den Weg der Jugend weitergehen. Weil es ein guter Weg ist. Auch, wenn manchmal ein Stolpersteinchen im Weg liegt. Wie im Februar 2014, als die Holländer im Sechzehntelfinale der Europa League von Red Bull Salzburg mit einem 0:3 in Amsterdam sowie einem 1:3 in Wals-Siezenheim wie Schulbuben vorgeführt wurden.

Ein Hoffnungsschimmer für Rapid, den Gastgeber am Mittwoch in Wien. Was der Meister konnte, kann auch der Vizemeister können.

HARALD SCHUME