Deutschland ist auf der Suche, aber es findet nicht zu sich. Nach dem 0:3-Tiefschlag gegen die Niederlande waren sie nur so eingeprasselt auf Joachim Löw, die medialen Hiebe, und des Bundestrainers Reaktionen ließen vermuten, er habe eine Hagelversicherung abgeschlossen, so ließ er die Attacken abperlen. Nach dem 1:2 gegen Frankreich entstand fast der Eindruck, das Land würde ein Vollbad im Wonnemeer nehmen, dabei hatte die Nationalmannschaft wie Synchronschwimmer nur kurz nach Luft geschnappt.

Doch diesmal standen auch die heftigen Kritiker Spalier, als würden sie dem 24 Stunden zuvor an der Kippe zum Abschied getaumelten Teamchef freies Geleit gewähren. Dass sich Löw mit der radikalen Umbesetzung seiner Auswahl bewegt hatte, wird als Meilenstein verkauft. (Hätte der 58-Jährige es übrigens nicht getan, wäre es einem Amtssuizid gleichgekommen.)

Dabei hat Deutschland unter dem Strich neuerlich ein Match verloren und die Faktenlage verschlimmert. Drei Siegen und zwei Unentschieden stehen sechs Niederlagen gegenüber, so viele wie noch nie in einem Kalenderjahr in der 1908 angepfiffenen Länderspielgeschichte. Der Abstieg aus der A-Klasse der Nations League ist nur noch mit einem Heimsieg über die Niederlande und einer Niederlage der Oranje gegen Frankreich abzuwenden.

Neuer Schwung

Gewiss haben die Deutschen gut gespielt, ziemlich gut bis zur Pause. Dies lag einerseits tatsächlich an den personellen Neuerungen und an einem heuer noch nicht dargestellten Schwung im Stil, andererseits aber auch an einer diesmal – zumindest in der ersten Hälfte – arrogant aufgetretenen französischen Weltmeisterelf. Als diese den Ernst der Lage erkannte, begann das Pendel in die Gegenrichtung auszuschlagen.

Deutschland, das wurde auch eingestanden, hat derzeit nicht die Klasse, einer Top-Mannschaft wie Frankreich über 90 Minuten voll zu widerstehen. Dass die Entscheidung durch einen umstrittenen Elfer fiel, ist insofern zu relativieren, als die deutsche Führung ebenfalls einem nicht zwingend zu gebenden Strafstoß entsprungen war. Und aus dem Spiel heraus haben die Deutschen wiederum nicht getroffen.

Jogi Löw dürfte vorerst also das Ruder wieder herumgerissen haben, was sein Standing betrifft. Denn die Koalition zwischen Volk, Trainer, Mannschaft und Medien scheint ein fragiles Gebilde geworden zu sein. Das deutsche Nationalfußball-Selbstverständnis hat sich im Jahr 2018 gewandelt. Plötzlich nimmt die Demut eine zentrale Stellung ein, wenn eine Niederlage zwar nicht als Sieg, aber doch als etwas, das „Spaß gemacht hat“ (O-Ton Toni Kroos), verkauft wird.

Aber lange werden auch „positive“ Niederlagen nicht mehr ausreichen. Das Wohlwollen kennt Grenzen und Jogi Löws Daseinsberechtigung kann bald wieder infrage gestellt werden.