Obwohl Daniel Beichlergerade mal 27 Lenze zählt, liest sich die Vita des gebürtiger Grazers wie die eines Fußball-Nomaden, eines Wanderers von Klub zu Klub. Acht verschiedene Vereine, Stationen in der Schweiz, in Italien, Deutschland, Österreich - und doch sprach General Manager Gerhard Goldbrich bei seiner einstigen Rückkehr zu Sturm Graz von einem "Sturm-Urgestein". 

Auf der anderen Seite beschleicht einen aber doch das Gefühl, dass der mittlerweile bei St. Pölten engagierte Offensivspieler auf der Karriere-Autobahn irgendwo eine falsche Ausfahrt nahm. Derweil standen die Vorzeichen hervorragend. Nach einer leicht missverständlichen Station bei Reggina Calcio in Italien, schießt sich Beichler innerhalb zweier Saisonen in die Herzen des Sturm-Anhangs. Die legendäre Europa-Pokalschlacht gegen die Ukrainer Metalist Charkiw 2009 ist Beichlers Karrierehöhepunkt in Schwarz-Weiß, fast im Alleingang zerlegt er die hoch favorisierten Ukrainer. Dank Beichler ist Sturm Graz drei Jahre nach dem Konkurs in Europa wieder wer, der Pokalsieg 2010 gegen Wiener Neustadt bleibt ein Meilenstein in der Vereinsgeschichte.

Berlin als der Anfang der Talfahrt

Beichler harmoniert hervorragend mit Buddy Jakob Jantscher, Franco Foda ist der Dompteur der Sturm-Twins. Der Stürmer kickt erfrischend, unbeschwert. Im Gespräch mit SPORTNETerinnert sich der 27-Jährige: "Nach dem Cupsieg herrschte eine wahnsinnige Euphorie, die Fans haben sich komplett mit der Mannschaft identifiziert." Doch dann: der erste Fehltritt. Beichler zieht es ins Ausland, unterschreibt bei Hertha BSC Berlin. Er entscheidet sich gegen ein finanziell überragendes Angebot von Red Bull Salzburg, will mit der hoch ambitionierten Hertha das Projekt Wiederaufstieg stemmen und den Geist der deutschen Bundesliga atmen. Es ist der Anfang der Talfahrt. Beichler plagt sich mit Leistenproblemen herum und überwirft sich mit Trainer Markus Babbel. Der Deutsche stellt Beichler auf das Abstellgleis, lässt ihn in der Regionalliga bei der zweiten Mannschaft schmoren. Vom Cupsieg in Österreich zu den Berliner Amateuren. Beichler wird ungeduldig: "Man macht sich natürlich Gedanken, wenn man nach einer Verletzung wieder fit ist und es läuft dann nicht sofort." 

Nach der Rückkehr erkennt Beichler Sturm nicht mehr

Leihweise wechselt er zu St. Gallen in die Schweiz und zum MSV Duisburg, nach einem privaten Schicksalsschlag streift er das Trikot der SV Ried über. Das Tal scheint überwunden, Beichler konsolidiert sich im Innviertel, die Hertha holt ihn zurück nach Berlin, wo in der Zwischenzeit Jos Luhukay das Trainerzepter übernimmt. Ein Kahnbeinbruch verhindert aber Größeres, Beichler wird in die Provinz verliehen - Sandhausen ist allerdings nicht das messianische Pflaster, er muss den Verein verlassen und kehrt schlußendlich unter großem Getös und noch größeren Erwartungen nach Hause zurück - zu den Blackies, in die UPC-Arena. Bei Sturm ist allerdings nichts mehr so wie Beichler es verlassen hatte. Das Verhältnis Mannschaft/Fans ist zerrüttet, Hyballa/Tumani Geschichte und Sturm Graz metamorphosiert von "Sturm-Neu" zu "Sturm-Neu-Neu." Auch Beichler zeigt sich irritiert: "Es war eine neue Situation in Graz, eine, die ich bisher so nicht kannte. Von dem her war es einfach komisch." 

Doch Beichler lebt sich wieder ein, bestreitet unter Coach Darko Milanic viele Spiele, wird mit zehn Toren gemeinsam mit Robert Beric gar Sturms bester Saisontorschütze: "Wir haben in einer Mannschaft gespielt, die noch nicht so intakt war und das war etwas völlig Neues für mich. Die erste Saison war für mich persönlich trotzdem halbwegs positiv, ich habe viele Spiele machen können, war fast verletzungsfrei." Doch der Teufel schläft nicht. Milanic geht nach Leeds, Franco Foda werkelt wieder in Graz. Beichler freut sich zu Anfangs, unter die Fittiche seines alten Förderers zu kommen: "Ich hatte immer ein sehr gutes Verhältnis mit dem Trainer Foda. Er war einer, der sehr oft mit mir geschimpft hat, weil er in mir viel Potenzial gesehen hat. Ich bin auch weiterhin der Meinung, dass er ein super Trainer war. Das Einzige, was mich natürlich stört ist, dass ich in der Zeit, in der er da war, nie richtig fit war und sehr sehr viel pausieren musste."

Das Scheitern als Chance

Und so geht die Leidensgeschichte des jungen Beichler weiter. Darmentzündung, Knieverletzung, er bleibt von nichts verschont: "Ich habe dann einfach bemerkt, dass irgendwas mit mir nicht stimmt. Ich konnte nicht Gas geben, hatte immer Magenschmerzen. Leider hat das dann dementsprechend nicht so geklappt, wie ich mir das vorgestellt habe." Beichler kommt ins Grübeln, stellt sich vor, wie seine Karriere verlaufen hätte können, wenn es all diese unglücklichen Verletzungen nicht gegeben hätte: "Ja, ich denke sehr oft dran. Ich denke wirklich sehr, sehr oft dran. Weil ich mir einfach denke, in meiner Karriere wäre insgesamt sehr viel mehr drinnen gewesen." Dem Berater Max Hagmayr gibt Beichler keinerlei Schuld an den vielen Wechsel: "Alle Fehler, die begangen wurden, in der Vergangenheit, waren selbstverschuldet. Da gibt's keine Ausreden. Ich kann natürlich sagen, dass ich in meiner Karriere viele Verletzungen hatte, aber natürlich weiß ich, dass ich schon so viele Fehler gemacht habe."

Neuanfang in St. Pölten

Nun also St. Pölten, Neuanfang. Beichler fühlt sich fit, erlebt seit langer Zeit wieder eine Vorbereitung ohne Schmerzen: "Das war schon mal das erste große Ziel, dass ich mir gesagt habe, 'ich will meine Karriere positiv gestalten'. Endlich wieder einmal schmerzfrei kicken können." Dass die ehemalige Nummer 28 von Sturm Graz Qualität hat, weiß er. Dass er Vertrauen benötigt, um seine Stärken auf den Platz zu bringen, aber auch: "Ich muss einfach Selbstvertrauen entwickeln, und da ist eine Vorbereitung ideal, wenn man einfach viele Spiele machen kann. Das ist meine Chance." Nach all dem Pech, denkt man, ist ihm diese Chance allemal zu gönnen.