Für viele bedeutet ein Fußballspiel nur, dass sich zwei Mannschaften mit elf Spielern gegenüberstehen und am Ende diejenige gewinnt, die mehr Tore erzielt. Falsch ist das nicht. Philipp Semlic wagt aber noch genauere Blicke hinter die Fassade. Die Analyse gehört zum Lieblingsaufgabengebiet des Trainers von Zweitligist Lafnitz. Bei den Oststeirern hat er sich den Ruf erarbeitet, ein sehr gutes Auge für taktische Muster und Prinzipien zu besitzen.

Darum wird der 38-Jährige bei der EM messerscharfe Analysen für die Kleine Zeitung beisteuern – egal, ob es um die Spielanlage der österreichischen Mannschaft, die Gruppengegner der rot-weiß-roten Equipe oder andere Nationen geht. „Die Abwehrphase, die Angriffsphase, das Umschalten nach Ballgewinn und das Umschalten nach Ballverlust sind die vier Säulen, die es zu beachten gilt. Aber auch Standards werden immer wichtiger. Ich tippe, dass 20 bis 30 Prozent aller Tore bei der EM nach Standards fallen werden“, sagt Semlic.

Um wirklich auf aktuellstem Stand zu sein, bereitet sich der Oststeirer akribisch auf seine Aufgabe vor. Mindestens drei aktuelle Spiele von jeder Mannschaft flimmern über den Bildschirm, um die kleinsten Details herausfiltern zu können. Bei der EM erwartet Semlic enorme Diversität: „Wir werden alle taktischen Formationen zu sehen bekommen. Und der Modus macht es enorm spannend. Jeder Teilnehmer kann Ergebnisse liefern und ins Achtelfinale aufsteigen. Die sogenannten kleinen Nationen gibt es nicht mehr.“

Eine besondere Rolle wird nach Meinung des A-Lizenz-Trainers die Überbelastung für die Akteure in der abgelaufenen Saison spielen. „Es gibt jetzt schon sehr viele Verletzte. Ich befürchte, das wird noch schlimmer durch die steigenden Temperaturen und die hohen Belastungen“, meint Semlic. „Hohes Augenmerk werden die Teamchefs wohl darauf legen, wie sie Ruhephasen ins Spiel bringen können. Bedingungsloses Pressing einer Mannschaft halte ich für ausgeschlossen. Leicht möglich, dass manche Trainer sogar von ihrer Spielidee abweichen, um erfolgreich sein zu können.“

Da wäre natürlich noch die Frage nach dem Favoriten auf den EM-Titel. „Es wird eine ganz enge Sache. Für mich sind Frankreich, England und Belgien die heißesten Tipps. Dazu muss man auch Spanien, Deutschland und Italien auf der Rechnung haben. Und eine große Überraschung wird es auch diesmal wieder geben“, sagt Semlic. Und Österreich? „Viel wird vom ersten Spiel abhängen. Wenn ein Sieg gegen Nordmazedonien gelingt, ist viel möglich.“