Die Begeisterung in Skopje an diesem historischen Abend im November habe trotz Corona-Pandemie keine Grenzen gekannt, erzählt eine Mitarbeiterin des Goethe-Instituts in der nordmazedonischen Hauptstadt. Die Begeisterung schien nach der erstmaligen Qualifikation für ein großes Fußballturnier des kleinen Balkanlandes kaum mehr steigerungsfähig. Der Radiosender „Bayern 3“ hatte vor der WM-Qualifikation gegen Deutschland Stimmen von Nordmazedoniern eingesammelt und jene Institutsmitarbeiterin erzählte darunter freimütig, was die Teilnahme an der Euro bei den Menschen in einem der ärmsten Länder Europas ausgelöst hatte. An einen Sieg gegen den übermächtigen Gegner glaubte die Dame, die lange Jahre in Deutschland gelebt hatte. Anders ihr junger Sohn, der aber natürlich nur träume. Der Wunschtraum des Buben wurde am Abend Wirklichkeit. Nordmazedonien schlug in Duisburg das Heimteam sensationell mit 2:1 und fügte den Deutschen die erste Niederlage in einer WM-Quali seit 2001 bei.

Die roten Löwen haben seither in ihrem Land eine Fußballeuphorie ausgelöst, wo doch eigentlich Handball beliebteste Sportart ist. Überall im Land sieht man Kinder – mit allem was rollt – kicken. So erzählte Superstar Goran Pandev auf Youtube stolz von der Entwicklung in seinem Heimatverein in Strumica, den erst tatkräftig unterstützt. „Bei uns spielen mehr als 300 Kinder“, sagte er. Wie gewaltig die Zahl ist, zeigt sich, wenn man die Gesamtzahl der organisierten Fußballer anschaut. Nur 12.000 Spieler kicken in einem Verein – bei gut zwei Millionen Einwohnern. „Zu sehen, wie sie Spaß haben, erfüllt mich mit großem Stolz“, sagt Pandev bei Youtube über seine Nachwuchsakademie. „Wir sind schließlich ein junges, armes und kriegsgebeuteltes Land.“ Die Fudbalska Akademija Pandev hat seit vier Jahren sogar ein Team in der ersten Liga, gewann sogar bereits den Pokalwettbewerb.

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Die Begeisterung tröstet über die trostlose Situation hinweg. Nordmazedonien konnte zwar unlängst den ewigen Namensstreit mit Griechenland lösen, wird nun aber auf dem Weg zu Beitrittsgesprächen mit der EU von Bulgarien blockiert. Dabei hatte die EU Skopje gerade erst als Muster auf dem Balkan gepriesen für Demokratisierung und den Reformwillen. Hinzu kommt aktuell die staatliche Fastpleite, weil man wegen eines pompösen Autobahnbaus auf China setzte und nun die Kredite nicht mehr bedienen kann. Das Armenhaus Europas droht damit noch mehr zu verarmen. Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass sechs von 100 Kindern zwischen fünf und 16 Jahren arbeiten müssen. Fast jeder vierte Nordmazedonier hat keine Arbeit, 21 von 100 Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Auch im Fußball sieht es nicht rosiger aus. Etliche Vereine stehen mit dem Rücken zur Wand.

Deshalb schaut man voller Hoffnung in Richtung EU. Doch nicht nur die finanzielle Last drückt, auch mit Blick auf die Aversionen aus Russland setzt man auf den Deckungsschutz aus dem Westen. Seit März 2020 ist Nordmazedonien Nato-Mitglied. Ein Erfolg bei der Euro wird mittlerweile nur noch als Zwischenziel angesehen. Nächste Station: WM-Qualifikation. Deutschland hat man immerhin schon besiegt.