Frankreich lebt - zumindest fußballerisch gesehen - von der Vergangenheit. Denn ohne die einstigen Kolonien, die Frankreich großteils vor rund 150 Jahren erobert hat, und die Überseedepartments wäre die "Grande Nation" im Fußball wohl nicht dort, wo sie heute mit zwei EM- und einem WM-Titel steht. Der 21-Mann-Kader, den Raymond Domenech für das WM-Qualifikationsspiel gegen Österreich nominiert hat, ist eine echte Multikulti-Truppe. Eine ganze Elf von Einwanderer-Kindern hat ihre Wurzeln nämlich nicht in Frankreich.

Einwanderer. Altstar und Kapitän Thierry Henry stammt von der Insel Martinique, einer französischen Überseeregion in der Karibik, die auch Teil der EU ist. Arsenal-Legionär Samir Nasri und Karim Benzema von Olympique Lyon kommen aus Algerien und sind damit in bester Gesellschaft, denn auch Zinedine Zidanes Wurzeln liegen in der ehemaligen Kolonie. Kein Wunder, dass gerade Algerien bei den "Bleus" immer stark vertreten ist. Im Zuge des Algerienkriegs (1954 bis 1962) und der daraus resultierenden Unabhängigkeit Algeriens kam es zu einer umfangreichen Einwanderungswelle nach Frankreich. Noch heute stellen die Algerier die größte Gruppe unter den Einwanderern dar.

Lange Tradition. Das Duo Nasri/Benzema hat Österreich übrigens noch in unangenehmer Erinnerung. Am 28. März 2007 bereitete Nasri bei seinem Debüt gegen das ÖFB-Team in Paris das Goldtor von Benzema zum 1:0-Sieg vor. Gleich drei Spieler kommen aus dem seit 1960 unabhängigen Senegal. Die Verteidiger Bacary Sagna und Patrice Evra, die in der englischen Premier League bei Arsenal und Manchester United engagiert sind, sowie Mittelfeldspieler Alou Diarra von Girondins Bordeaux. Im Vergleich zu Algerien stellt der Senegal die kleinste Gruppe an Einwanderern.

"Kolonialkicker". Diarras Namensvetter Lassana wiederum stammt von der Elfenbeinküste. Dazu kommen Rod Fanni (Marokko), Florent Malouda (französisch Guyana), Steve Mandanda (Demokratische Republik Kongo) sowie der verletzte Hatem Ben Arfa (Tunesien). Dass so viele Kicker aus der Fremde kommen, hat in Frankreich schon seit jeher Tradition. Vor Zidane war zum Beispiel Youri Djorkaeff, der Sohn armenischer Einwanderer, Leistungsträger der "Equipe tricolore", Verteidiger Marcel Desailly aus Ghana lehrte Ende der 1990er- Jahre die gegnerischen Stürmer das Fürchten und schon in der großen Mannschaft der 1980er- Jahre, die 1984 im eigenen Land Europameister wurde, stand mit Jean-Amadou Tigana ein "Kolonialkicker" aus dem afrikanischen Mali.