Während im Nebenzimmer des Sky-Headquarters der News-Sender "Sky Sport News HD" die ersten Minuten auf Sendung war, nahm sich Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge Zeit, um auch Brisantes zu erläutern.

Herr Rummenigge, die Euro 2012 steht vor der Tür. Sie waren ja 1980 Europameister. Schafft Deutschland wieder einen Titel?

KARL-HEINZ RUMMENIGGE: Grundsätzlich hat sich die Mannschaft, seit Jogi Löw übernommen hat, positiv entwickelt. Deutschland war ja immer bekannt dafür, einmal ein Turnier gewinnen zu können, aber nicht unbedingt für Spielkultur und Spielqualität.

Das ist jetzt anders?

RUMMENIGGE: Ja, dieses Team hat beides. Mir kommt es ja fast so vor, als ob wir jetzt wie Holland früher spielen und die Holländer so wie wir. Allerdings mit umgekehrtem Ergebnis: Wir gewinnen. Aber der Druck auf Deutschland ist enorm.

Warum?

RUMMENIGGE: Weil Deutschland vor 16 Jahren das letzte Mal Europameister wurde. Das Land lechzt nach einem Titel. Der Druck wird enorm sein, größer als bei der Heim-WM. Weil das Team jetzt schon mit der 72er- oder 74er-Mannschaft rund um Beckenbauer oder Netzer verglichen wird. Nur, das müssen sie auch einmal beweisen, dass sie diese Klasse haben.

Sie selbst sind im Klubfußball engagiert, auch als Vorsitzender der Vereinigung der Klubs (ECA). Was sind da Ihre Wünsche?

RUMMENIGGE: Ich habe zwei. Das eine ist die seriöse Umsetzung von Financial Fair Play, das andere ist mehr Demokratie. Mehr Mitsprache für die Klubs bei wichtigen Entscheidungen.

Financial Fair Play, Finanz-Gerechtigkeit - wie geht das?

RUMMENIGGE: Es gibt eine dicke Schwarte, in der alles erklärt wird. Ich verstehe auch nicht alles. Deshalb, in einem Satz: Man darf nicht mehr Kohle ausgeben, als man einnimmt.

Bei allem Respekt - solche Regeln funktionieren ja nicht einmal auf staatlicher Ebene, siehe EU . . .

RUMMENIGGE: Die Kriterien sind ausgearbeitet. Das Einzige, was fehlt, sind die Bestrafungen bei Verstößen. Ich kann der UEFA nur empfehlen, hart durchzugreifen, sonst ist alles für die Katz.

Zielen Sie da auf bestimmte Länder und Klubs ab?

RUMMENIGGE: Nein. Schauen Sie: 63 Prozent aller Klubs schreiben Verluste. Kennen Sie einen Wirtschaftszweig, der so überlebt? Nein. Ganz realistisch: Wir alle haben das Bosman-Urteil vor 15 Jahren fehlinterpretiert. Wir haben die Gehälter nach oben gedrückt, die Ablösesummen international auf ein Wahnsinnsniveau gehoben. Jeder weiß das, keiner tritt auf die Bremse. Damit wir im Fußball ähnliche Problematiken wie in der Euro-Zone verhindern, ist die UEFA in der Pflicht. Sie muss verhindern, dass sich Klubs finanziell verheben.

Wie denn?

RUMMENIGGE: Die Regeln sind klar - man darf in den kommenden Jahren maximal 15 Millionen Euro pro Jahr oder kumuliert 45 Millionen Euro Verlust machen. Da bin ich gespannt, wie es etwa Manchester City machen wird, das heuer 228 Millionen Verlust angab. Und wie die UEFA darauf reagiert.

Wie soll sie denn reagieren? Mit Ausschluss?

RUMMENIGGE: Im Moment gibt es einige Klubs, die die Strafen in Grenzen halten wollen. Aber die UEFA muss viel stringenter und strikter vorgehen als die Politik. Und ja, in letzter Instanz kann es nur eine Nicht-Lizenzierung für den Europacup geben.

Sie sprachen den "Fall Bosman" an . . .

RUMMENIGGE: Ich würde mir in Brüssel mehr Fingerspitzengefühl wünschen. Bosman war doch das Kardinalsproblem in den letzten 15 Jahren.

Inwiefern?

RUMMENIGGE: Schauen Sie doch Ihr Land an: Vor 20 Jahren waren da noch Vereine in Europacup-Endspielen. Das können Sie heute vergessen - wenn da ein Klub nur die Gruppenphase übersteht, muss man die Korken knallen lassen. Oder Anderlecht, Ajax - das waren früher Großklubs, die heute keine Rolle mehr spielen. Weil das Geld fehlt.

Bleiben wir in Österreich - was ist hierzulande möglich?

RUMMENIGGE: Mit Finanzregeln würde sich die Situation ein wenig bessern. Aber der Markt ist limitiert - weil es zu wenig große Sponsoren oder zu geringe TV-Gelder gibt. Da sind andere Länder immer im Vorteil. Was ich aus der näheren Ferne beobachte: Es wird gute Nachwuchsarbeit geleistet. Diese Spieler sollte man versuchen, zu halten.

Aber die nehmen uns ja die Bayern weg, so wie David Alaba . . .

RUMMENIGGE: Tja, wir sind einfach zu gut informiert.

Und Sie sind eine von vielen Bayern-Identifikationsfiguren. Wie darf man sich das vorstellen? Schlafen Sie sogar in Bayern-Bettwäsche?

RUMMENIGGE (lacht): Das würde meine Frau wohl kaum akzeptieren. Alles muss Grenzen haben. Ich ärgere mich, wenn Bayern verliert, ja. Aber deshalb brauche ich danach nicht auch noch einen Albtraum in Bayern-Bettwäsche zu haben.