Die Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes in Frankfurt am Main. Steffi Jones sitzt in ihrem Büro im ersten Stock. An der Wand ein Filmplakat des Leinwand-Abenteuers "Indiana Jones". Das Leben der Organisations-Chefin der bevorstehenden Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft verlief bislang zwar nicht so gefährlich wie jenes des Hollywood-Helden, aber dennoch aufregend genug, um Stoff für einen Kino-Hit zu liefern. Mit sieben wurde sie als Diebin erwischt. Der Vater, ein US-Soldat, verließ früh die Familie. Ein Bruder geriet auf die schiefe Bahn, der zweite verlor im Irak-Krieg beide Beine. Mit 31 wurde sie Weltmeisterin und ist bis heute eine der erfolgreichsten Fußballerinen Deutschlands. Im Exklusiv-Interview mit der Kleinen Zeitung plaudert die Doppel-Staatsbürgerin über berufliche Höhen, private Tiefen und diesen einen, diesen entscheidenden Tag, der ihr ganzes Leben verändert hat.

Erklären Sie bitte einem Mann, warum er sich ab 26. Juni Frauen-Fußball-Spiele anschauen sollte.

STEFFI JONES: Fußball ist generell ein toller Sport. Für mich spielt es keine Rolle, ob Männer oder Frauen spielen. Wenn sich jemand für den Frauen-Fußball nicht begeistern lässt, respektiere ich das. Man sollte sich aber ein Spiel anschauen. Wenn man es gut findet, passt es. Wenn nicht, ist das auch in Ordnung. Man soll Frauen-Fußball nur nicht schlechtreden, wenn man keine Ahnung davon hat.

Aber steht der Frauen-Fußball nicht noch unter der Überschrift "Emanzipation"?

JONES: Mit dem Begriff Emanzipation kann ich mich nicht so recht identifizieren. Weil er immer wieder aussagt, dass wir kleiner sind, als wir sind. Wir sollten uns nicht vergleichen, sondern aufmerksam machen, was wir leisten. Und so sollten wir beurteilt werden. Der Vergleich, was können die Frauen besser, was machen Frauen anders als Männer, den mag ich nicht.

Dennoch gilt für viele der Fußball noch als undamenhaft. Und auch in Ihrer Familie gab es jemanden, der ihn für einen Proletensport hielt.

JONES (lacht): Ja, meine Mama. Sie hat einfach eine andere Vorstellung gehabt, was ein Mädchen machen soll. Da waren große Vorurteile und Klischees vorhanden. Die hat sie über die Jahre ausgeräumt und wurde dann mein größter Fan.

Sie sind nicht wie ein typisches Mädchen groß geworden.

JONES: Ich war immer mit Burschen unterwegs. Das war schwierig für meine Mutter. Kleidchen mmh, Lackschühchen mmh, Ohrringe mmh.

Sie hatten eine schwere Kindheit und sind im ärmsten Viertel Frankfurts aufgewachsen.

JONES: Meine Mutter hat uns Kindern immer vorgelebt, dass man für sein Geld arbeiten muss und dass man sich nicht für irgendetwas zu schade sein sollte.

Waren Sie sich für irgendetwas zu schade?

JONES: Nein, ich habe viele Jobs gemacht. Ich habe geputzt, ich war Marktleiterin in einem Supermarkt, Sachbearbeiterin, Bürokauffrau.

Sie haben 31 Jahre Fußball gespielt, managen nun eine Fußball-WM und haben dennoch einmal gesagt: Ich habe eine andere Denkweise bekommen und gelernt, dass es wichtigere Dinge als Fußball gibt.

JONES: Als mein jüngerer Bruder in den Irak musste und 2006 beide Beine verloren hat, da wurde auch der Fußball, der immer mein Rückhalt war, nebensächlich.

Es gab auch einen Moment in Ihrem Leben, den Sie als Umkehrschub bezeichnet haben.

JONES: Ich habe meinem älteren Bruder nachgeeifert. Und der hat früh kleinere kriminelle Delikte begangen. Sein Freundeskreis war nicht gut. Da bin ich mit sieben Jahren einmal mit und wurde sofort von einem Kaufhausdetektiv bei einem Diebstahl erwischt.

Wie ging es weiter?

JONES: Er hat die richtigen Worte gefunden. Aber er hat mich nicht angezeigt und mir noch eine Chance gegeben - und die habe ich genutzt.

Hat sich der Detektiv später einmal gemeldet?

JONES: Leider nein. Ich hätte mir gewünscht, dass er sich einmal meldet.

Und was macht der Bruder?

JONES: Er wurde drogenabhängig. Er lebt sein Leben. Ich habe ihn lange unterstützt.

Jetzt nicht mehr?

JONES: Doch, aber das wissen nur Betroffene, was es heißt, co-abhängig zu sein. Man kann sich moralisch schwer abgrenzen. Wenn es draußen eiskalt ist und er ruft an und sagt, dass er nichts zu essen hat, dann will ich jemanden sehen, der auflegt. Das sind Momente, wo man immer wieder reingezogen wird.

Kommen wir noch einmal zurück zum Fußball. Wird die deutsche WM-Begeisterung an der österreichischen Grenze haltmachen?

JONES: Ich glaube nicht. Denn die WM ist der perfekte Anlass, um für den Frauen- und Mädchen-Fußball zu werben. Die Begeisterung wird sicher auch nach Österreich überschwappen.