Er ist der erfolgreichste Qualifikations-Trainer, den der deutsche Fußball je hatte. 28 Siege in den letzten 31 Pflichtspielen. Aber ist Joachim Löw (54) auch ein erfolgreicher Turnier-Trainer? Das Halbfinale einer Welt- und Europameisterschaft birgt in der Karriere dieses Bundestrainers Schicksalsspiele. Sie sind die Hürden vor dem Ziel, endlich, nach 18 Jahren, wieder einen Titel für Deutschland zu erobern. Wenn die deutsche Nationalmannschaft heute zum Showdown gegen Brasilien antritt, kämpft sie zum fünften Mal in Folge, und das mit Löw, 2006 noch rechte Hand von Jürgen Klinsmann, um den Eintritt ins Endspiel.

Geht es nach dem Bauchgefühl des Bundestrainers, wird dieses letzte Hindernis vor dem finalen Maracana-Highlight am 13. Juli nicht wieder zum Horror, sondern zum Halleluja: Denn Löws Bauchgefühl war am Montagmorgen "gut, sehr gut", wie er im Interview mit DFB-TV mit optimistischem Lächeln beteuerte. "Wir freuen uns auf dieses Spiel. Es ist für die Mannschaft die Chance, einen Titel zu gewinnen. Viel Glück und Tagesform werden dazugehören. Wir haben keine Angst vor Brasilien, aber Respekt. Dennoch fliegen wir mit Selbstvertrauen nach Belo Horizonte. Wir sind noch nicht fertig."

Löw erwartet durch das Fehlen der Super-Zehn Neymar (verletzt) und des Innenverteidigers Thiago Silva (gesperrt) an der Seite von David Luiz keinen Nachteil für den fünfmaligen Champion und Top-Favoriten. "Die Brasilianer sind deswegen nicht weniger gefährlich", glaubt Löw. "200 Millionen Brasilianer werden hinter ihrer Selecao stehen, andere werden für Neymar Verantwortung übernehmen. Das wird ungeahnte Kräfte freisetzen." Mit Dante sei Silva "gut zu ersetzen".

Halbfinal-Komplex

Vor zwei Jahren bei der EM in Warschau glaubte Löw aus lauter Respekt vor Andrea Pirlo Toni Kroos als Sonderbewacher für den Spielmacher zur Seite stellen zu müssen. Schiefgelaufen. Pirlo leitete den Angriff ein, den Mario Balotelli mit dem Kopf zum 1:0 abschloss. Derselbe beendete auch einen Konter mit dem 2:0. Mesut Özils Elfmetertor in der Schlussminute reichte nur noch zur Ergebnis-Kosmetik. Finale ade.

Wie zwei Jahre zuvor im WM-Halbfinale in Durban: Xavi-Eckball, wuchtiger Kopfball von Carles Puyol zum 1:0 (73.). Spanien im Endspiel und schließlich Weltmeister. Deutschland im Spiel um Platz drei und am Ende Dritter.

Wie auch bei der WM 2006 im deutschen Sommermärchen. Schon da blieb die deutsche Mannschaft, geführt von Klinsmann/Löw, an Italien hängen. Als alle schon das Elfmeterschießen im Hinterkopf hatten, schob Pirlo (daher der Löw-Komplex?) den Ball zu Fabio Grosso, der mit einem Schuss von links ins lange Eck Jens Lehmann keine Chance ließ. Alessandro Del Piero setzte nach einem Konter noch das 2:0 drauf. Dritter Platz für Deutschland.

Nur einmal in der Löw-Ära führte der Halbfinal-Komplex nicht zum Aus. Aber es war viel Glück dabei, als in Wien die Ballack-Mannschaft die spielerisch bessere Türkei glücklich mit 3:2 besiegte. Ein Zittersieg. Lahm schoss in allerletzter Minute Deutschland ins Endspiel, aber nicht zum Titel. 0:1 gegen Spanien.

Trotz all dieser nicht gerade positiven Erfahrungen lässt sich Joachim Löw seinen Optimismus nicht vermiesen. "Wir haben schon Mittel und Wege, die Qualität, Brasilien nach Hause zu schicken."