Von Euphorie war Marc Wilmots auch im Moment des Triumphs ein Stück entfernt. "Es war nicht der beste Fußball der Welt, aber wir haben uns den Sieg verdient. Wir waren körperlich stärker und haben es erzwungen", sagte der belgische Teamchef nach dem 1:0 über Russland in den Katakomben des Maracana, nachdem sein Team in Gruppe H den vorzeitigen Achtelfinaleinzug fixiert hatte.

Wie schon im ersten Spiel gegen Algerien, als die Wechselspieler Marouane Fellaini und Dries Mertens getroffen hatten, bewies Wilmots auch am Sonntag ein gutes Händchen. Die nach der Pause eingetauschten Divock Origi und Kevin Mirallas trugen wesentlich dazu bei, dass das lange Zeit ausgeglichene Spiel in den letzten zehn Minuten doch noch auf die Seite der Belgier kippte. Davor hatte es weder den ehemaligen brasilianischen Superstar Zico noch die anderen 73.000 Zuschauer im Stadion von den gemütlichen Schalensitzen gerissen. In der 88. Minute knallte Origi den Ball dann nach einem sehenswerten Solo von Spielmacher Eden Hazard unhaltbar unter die Latte. Der 19-jährige Offensivallrounder vom OSC Lille war erst durch die Verletzung von Christian Benteke in den belgischen Kader gerutscht, sein gelungener Auftritt im Maracana mit dem ersten Tor im vierten Länderspiel weckt Begehrlichkeiten. Tottenham soll bereits sechs Millionen Euro für den in Frankreich ausgebildeten Shootingstar geboten haben, der in der abgelaufenen Saison den Durchbruch in der Ligue 1 geschafft hatte und nun dem lethargisch wirkenden Romelu Lukaku den Rang als belgischer Einserstürmer ablaufen könnte.

Und die Russen? Österreichs Gegner in der EM-Qualifikation zeigte Marcel Koller auf der Tribüne wenig Überraschendes. Kompakt, schnell, technisch stark, aber weitgehend harmlos vor dem Tor - so könnte das Fazit des Teamchefs ausfallen, der sich den Fragen der Presse in Rio verweigerte. Wenn Stürmer Alexander Kokorin kurz vor der Pause aus fünf Metern völlig freistehend seinen Kopfball im Tor untergebracht hätte, hätte das Spiel wahrscheinlich einen anderen Verlauf genommen.

Das musste auch Marc Wilmots anerkennen. Fragen zum (Geheim-)Favoritenstatus Belgiens blieben ihm dafür erspart. Sie wären auch vermessen gewesen, denn die Leistungen gegen Russland und Algerien entsprachen nicht jenen eines Titelkandidaten. Im Achtelfinale könnte Deutschland warten - und auch wenn die Belgier noch nicht voll auf Touren gekommen sind, an Selbstvertrauen mangelt es ihnen nicht. "Wir wissen, dass wir stark sind", sagte Wilmots, "ich habe Spieler, die das Match in den letzten 20 Minuten entscheiden können. Und das ist ein großes Kapital."