Erinnern Sie sie noch an Eyjafjallajökull, den wohl berühmtesten "Bewohner" Islands? Das ist jener Vulkan, der 2010 Europas Flugverkehr lahmgelegt hat. In den nächsten Tagen droht in Island ein weiterer Vulkanausbruch – diesmal jedoch fußballerischer Natur. Denn Islands Nationalteam hat die historische Chance, erstmals das Ticket für eine Fußball-WM zu lösen. Als kleinstes Land der WM-Geschichte noch dazu. Gegen Kroatien geht es im Play-off heute (20 Uhr) und am Dienstag um alles – oder nichts. Denn zu verlieren haben die Isländer nicht viel.

Das junge Team von der Insel war die Überraschung der WM-Qualifikation. Gegen den späteren Sieger der Gruppe E, die Schweiz, machte man aus einem 1:4 ein 4:4. Stärker einzuschätzende Teams wie Norwegen und Slowenen ließen die Nordländer kaltschnäuzig hinter sich. Island – ein Staat, der gerade einmal 320.000 Einwohner hat und bis vor kurzem als Fußballzwerg belächelt wurde.

Video: Das spektakuläre 4:4 in der Schweiz

Investitionen in die Zukunft

Mit der Wucht eines Geysirs sind Islands Fußballer in den vergangenen beiden Jahren aufgestiegen. Explosionsartig. Wie aus dem Nichts. Beendete man die WM-Quali 2010 noch als Gruppenletzter und tümpelte in der FIFA-Rangliste jenseits der 100 herum, liegt man nun auf Platz 46. Ein Höhenflug, der isländische Experten nicht überrascht: "Es wurde viel investiert. Im ganzen Land wurden in den vergangenen Jahren neue Fußball-Hallen mit Plätzen in Originalgröße gebaut. Daher haben unsere jungen Spieler nun die Möglichkeit, unter guten Bedingungen das ganze Jahr trainieren zu können - egal, bei welchem Wetter. Auch die Trainer-Ausbildung wurde professionalisiert", erklärt Einar Thor Sigurdsson, Sport-Journalist der isländischen Tageszeitung "Dagblaðið Vísir" die Gründe.

Erste Erfolge stellten sich schnell ein: So qualifizierte sich Islands U21-Team etwa für die EM 2011. Der Großteil der Mannschaft kämpft heute für das A-Team um ein WM-Ticket und spielt bei Großklubs in ganz Europa. Allen voran Jungstar Gylfi Sigurdsson (24), der sein Geld bei Tottenham in der Premier League verdient. Der Mittelfeld-Motor sorgt mit Stürmer Kolbeinn Sigthorsson (23) von Ajax Amsterdam und Ikone Eidur Gudjohnsen (35) – er gewann 2009 mit dem FC Barcelona die Champions League - für geballte Offensivkraft. Unter Anleitung von Lars Lagerbäck (65), der zuvor jahrelang als schwedischer Teamchef erfolgreich war.

Interaktive Grafik: Islands Stars

An seine erfolgreiche Zeit in Schweden will Lagerbäck mit Island anknüpfen. Am liebsten schon heute gegen Kroatien. Die Euphorie kennt auf der Insel jedenfalls keine Grenzen. In einer (unangekündigten) Nacht-und-Nebel-Aktion wurden die Tickets um vier Uhr früh an der Stadion-Kassa verkauft. Binnen weniegr Stunden waren alle 10.000 Tickets vergriffen. "Wir hätten locker 35.000 Karten verkaufen können", sagt Experte Sigurdsson, der auf den nächsten Vulkanausbruch hofft: "Die Chancen stehen gut." Und wenn es diesmal gegen Kroatien (mit Niko Kovac, Ex-Co-Trainer bei Red Bull Salzburg) doch nicht klappen sollte, nehmen es die Isländer auch locker. Denn Sigurdsson ist sich aufgrund der Entwicklung des Fußballs in Island, wo Handball Nationalsport Nummer eins ist, sicher: "Island wird sich eines Tages für ein großes Turnier qualifizieren. Egal, ob das in den nächsten zwölf Monaten, zwei Jahren oder fünf Jahren soweit sein wird."