Polens Ministerpräsident Donald Tusk hatte das Scheitern der eigenen Mannschaft bei der Heim-EM schnell verdaut. "Die Europameisterschaft hat uns weltweit in einem neuen Licht gezeigt. Überall werden wir für die hervorragende Organisation und die Stimmung im Land gelobt", sagte der Regierungschef, nachdem die Gastgeber aus dem Turnier ausgeschieden waren. Mit dieser Sicht der Dinge steht Tusk in Polen nicht allein da. Wie ein Mantra wiederholen Politiker und Kommentatoren in diesen Tagen die Botschaft: "Wir sind Europameister der Herzen."

Der Grund für den Jubel ist schnell ausgemacht. Polen hat mehr als 20 Milliarden Euro investiert, um das Sportfest angemessen ausrichten zu können. Das verpflichtet geradezu zum wirtschaftlichen Erfolg. In einem nachdenklichen Augenblick gestand Tusk kürzlich ein, es habe keine Alternative zur groß angelegten Finanzierung durch den Staat gegeben. "Hätten wir das Geld nicht aufgebracht, hätte die UEFA uns die EM wieder entzogen", sagte er mit Blick auf das 370 Millionen Euro teure Warschauer Nationalstadion.

Leeres Mega-Stadion

Was aus der Arena wird, ist offen. Polnische Ligaspiele werden dort nicht stattfinden. Das imposante Stadion ist dafür mit 58.000 Sitzplätzen groß. Open-Air-Konzerte sind eine Alternative in der Multi-Funktions-Arena. Aber ob das reicht?

Schlimmer noch stellt sich die Situation im Co-Gastgeberland Ukraine dar. In Lemberg beispielsweise wurde für die EM nicht nur ein neues Stadion gebaut, für dessen Nutzung es keine tragfähigen Pläne gibt. Die Stadt verfügt nun auch über einen 200 Millionen Euro teuren Flughafen-Terminal. Nach Expertenschätzungen hat der Glaspalast aber keine Chance, jemals auch nur annähernd ausgelastet zu sein. Die Zweifel am ökonomischen Erfolg der EM in den Gastgeberländern wachsen zusehends, je näher das Finale in Kiew rückt.

Fans als Polen-Urlauber

Nüchtern betrachtet fällt eine erste Bilanz zwiespältig aus. Der Hinweis von Polens Premier Tusk auf den Imagegewinn seines Landes ist nicht falsch. Umfragen zufolge wollen 81 Prozent der ausländischen EM-Besucher für eine Urlaubsreise nach Polen zurückkehren. Das ist eine starke Zahl angesichts von geschätzt einer Million Fußball-Gästen.

Hinzu kommen nachhaltige Investitionen in die Infrastruktur. "Wir haben 1600 Kilometer Schnellstraßen gebaut und 2000 Kilometer Bahngleise modernisiert", sagt Verkehrsminister Slawomir Nowak gegenüber dieser Zeitung. Die Flughäfen in den EM-Städten Breslau, Danzig, Posen und Warschau wurden runderneuert. Kritiker dagegen erwarten, dass die Ausgaben für den Straßenbau in den kommenden Jahren fast auf null heruntergefahren werden müssen, weil sich der Staat vor der Europameisterschaft dabei übernommen hat. Nach der erfolgreichen Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland haben Wirtschaftsforscher errechnet, dass die WM ein minimales zusätzliches Wachstum von 0,02 Prozent ausgelöst hat. In Polen hoffen Optimisten auf 0,1 Prozent. Faktisch sind sportliche Großveranstaltungen demnach für die Veranstalter bestenfalls ein Nullsummenspiel.

Leere Betten

In der Ukraine dürfte das kaum der Fall sein. Die eigene autoritäre Regierung hatte das Land vor der EM wiederholt in die Negativschlagzeilen gebracht. Folge: Es kamen weit weniger Touristen als erwartet. In allen Spielorten berichteten Hoteliers während der EM von leeren Betten. Hinzu kommt der Schaden, der dem Land durch die ausufernde Korruption entstanden ist. Mehr als zehn Milliarden Euro hat die Ukraine für die Europameisterschaft investiert. Ein Drittel davon dürfte in dunklen Kanälen versickert sein. Selbst die UEFA, zu deren wichtigsten Einnahmequellen die EM zählt, meldet bei den Einnahmen eine Stagnation.