Trauer, ein Trainer-Rückzug und tiefe Verunsicherung: Polen ist bei der Europameisterschaft im eigenen Land ausgeschieden. Das 0:1 gegen Tschechien in Breslau zerstörte die Träume einer ganzen Nation. "Das ist das bitterste Aus in diesem Jahrhundert", schrieb die Online-Ausgabe der Zeitung "Gazeta Wyborcza". Dazu passten die Bilder von weinenden Spielern auf dem Rasen, hemmungslos schluchzenden Menschen auf den Fanmeilen überall im Land und der Abgang von Trainer Franciszek Smuda. "Das ist zu 100 Prozent das Ende meines Abenteuers", sagte der Coach nach der Niederlage. In den polnischen Medien lief bereits die Suche nach einem Nachfolger an. Smuda geht erhobenen Hauptes: "Ich hinterlasse keine verbrannte Erde", erklärte er. Unwidersprochen blieb das nicht. "Smuda - der bockige Trainer", titelte das Magazin "Newsweek Polska" und blickte im Zorn zurück.

Albtraum für Polen

Vor dem Anpfiff hatte Smuda die Partie gegen Tschechien zum "wichtigsten Spiel meines Lebens" erklärt. Kommentatoren sprachen gar vom "wichtigsten Spiel in der Geschichte des Landes". In der vermeintlich schwach besetzten "Gruppe unserer Träume" mit Griechen, Russen und Tschechen rechneten sich die Gastgeber große Chancen aus, erstmals seit 30 Jahren das Viertelfinale bei einem großen Turnier zu erreichen. Doch der Treffer von Petr Jiracek in der 72. Minute stürzte Polen in einen Albtraum. Der Gastgeber beendete das Turnier als Gruppenletzter.

"Wir wollten für die Fans und die Menschen im Land gewinnen", sagte der Dortmunder Lukasz Piszczek nach Spielschluss. Die am Spielabend mit 100.000 Menschen besetzte Fanzone in Warschau wurde zum Sinnbild des Scheiterns. Noch vor Mitternacht hatte sie sich komplett geleert. Zurück blieben zerknüllte Plastikbecher und eine verlassene, regennasse Freifläche. "Polen weint, und der Himmel weint mit", schrieb ein trauriger polnischer Fan im Internetportal Facebook.

Skandalöse Behandlung

Piszczeks Dortmunder Mannschaftskollege Jakub Blaszczykowski ging auf den polnischen Verbandsvorsitzenden Grzegorz Lato los und warf ihm eine "skandalöse Behandlung der Mannschaft" vor. "Er hat all die Verabredungen, die wir getroffen haben, nicht eingehalten", sagte der Kapitän der Weiß-Roten und empörte sich darüber, dass nicht einmal enge Familienmitglieder zu den Spielen in die Stadien gelassen wurden. Lato dürfte nun auch von anderer Seite in die Kritik geraten. Der Präsident und sein Verband stehen seit Monaten unter Korruptionsverdacht.

Die Entscheidung über Wohl und Wehe der Weiß-Roten war allerdings auf dem Platz gefallen. Polen hatte wie im Eröffnungsspiel gegen Griechenland euphorisch begonnen. In der 10. Minute jagte der dritte Dortmunder im Team, Stürmerstar Robert Lewandowski, den Ball nur knapp am Tor vorbei. Je länger aber das Spiel dauerte, desto kraftloser trugen die Polen ihre Angriffe vor. Der Druck, gewinnen zu müssen, lastete spürbar auf ihnen. "Wir waren übermotiviert", bekannte Trainer Smuda.

Was wird nun aus der EM ohne den Gastgeber? Viele polnische Fans bekundeten am Tag nach dem Drama trotzig, man werde das Fußballfest nach einer Trauerphase weiter fröhlich feiern. Die Nachrichtenagentur PAP sammelte Stimmen von heimischen Fans ein und fragte, wem sie nun die Daumen drücken bei dieser EM. Fazit: Die Deutschen, "die bei diesem Turnier schön und effektiv spielen", und die Spanier, "die eine Chance auf eine einzigartige Titelverteidigung haben", können auf die größte Unterstützung zählen.