Österreichs Eishockey steht an einer signifikanten Weggabelung. Nicht einzig und allein bezogen auf die sportliche Zukunft. Massive Veränderungen sollten mittlerweile höchste Priorität beim ÖEHV genießen. Doch irgendwie wirkt es, als hätte sich der Verband nicht völlig von der angesammelten Staubschicht der letzten 20 Jahre befreien können. Das betrifft Strukturen, Prozesse, Administration aber auch Identität und ein Bekenntnis, was der ÖEHV zukünftig eigentlich verkörpern will.

Gesamtkonzept: Ein Fünf-Sterne-Programm wie es der deutsche Verband eingeführt hat, sucht man hierzulande vergebens. Das System der Nachbarn mag vielleicht nicht in allen Bereichen perfekt sein. Allerdings sind solche Maßnahmen immer noch besser, als gar keinen validen Plan zu besitzen, wohin sich der Sport in Zukunft eigentlich bewegen soll. Das beginnt mit vernünftiger Ausrichtung von Nachwuchsligen und endet bei ordnungsgemäßer Versicherung von Nationalteam-Spielern. Auch die Abwicklung der EBEL bzw. einer Bundesliga, also der höchsten Spielklasse, müsste dieses Konzept umfassen. Insbesondere ein genormtes Regelwerk. Wie jenes des internationalen Eishockey-Verbandes, die EBEL hat hingegen eigene Gesetze erschaffen. Und die Ziele des „Zehn-Punkte-Planes“ vom Verband dürften für die Liga wohl zu ambitioniert gewesen sein.

Infrastruktur. Die heimischen Hallen und deren Energie-Technik stammen vielfach aus dem Jahre Schnee, sind teilweise dringend renovierungsbedürftig. Zudem werden Familien mit den hohen Kosten für Ausrüstung im Stich gelassen. Und eine Eishockey-Stadt wie Villach muss sich mindestens bis 2024 gedulden, bis endlich eine zweite Eisfläche eröffnet wird. Das Gesamtprojekt (inkl. Ausbau der Stadthalle) kostet 23,5 Mio. Euro. Im Vergleich: NHL-Legende und slowakischer Eishockey-Präsident Miroslav Satan verkündete jüngst, dass 14 Millionen Euro in sieben regionale Eishockey-Akademien investiert werden.

Kooperationsvereinbarung. 2021 wird ein neuer Vertrag zwischen ÖEHV und (noch) EBEL verhandelt. Um dort die Interessen des Verbandes als Hauptverantwortlicher des Sports zu deponieren, muss jedoch zuvor ein fertiges Konzept auf dem Tisch liegen. Um Glaubwürdigkeit zu gewährleisten, muss sich der ÖEHV kritisch hinterfragen.

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Sponsoring. Die Devise „Mut zum Weißraum“ stellten die Nationalteam-Trikots in Klagenfurt zur Schau. Sponsoren gingen verloren, nicht nur aufgrund des Ausstiegs der Erste Bank aus dem Eishockey. Hier herrscht dringender Nachbesserungsbedarf. Allein, um Eltern von Nachwuchs-Spielern einen weltweit wohl einzigartigen Selbstbehalt bei Team-Einberufungen zu ersparen.

Kostenkontrolle. Der ÖEHV ist noch nie in Geld geschwommen. Wenn jedoch Sponsoren abhandenkommen, wirkt es dekadent, auf großem Fuß zu leben. Die Frage muss gestattet sein, warum ein Sommercamp, das die Saisonvorbereitung der Klubs stört, 30.000 Euro verschlingt. Das sorgt für Unmut.

Präsidentenwahl. Im Mai stellt sich Präsident Gernot Mittendorfer der Wiederwahl, der Gegenkandidat neigt zum Rückzug. Die Stimmung in den Landesverbänden tendiert zeitweise jedoch in Richtung Meuterei. Mittendorfer scheint sich auf die Rückendeckung aus der EBEL zu verlassen. Er dürfte sich bei den Ergebnissen seiner bisherigen Amtszeit eher kurz halten. Der Oberösterreicher wird für seine erneute Wahl aber etwas auf den Tisch legen müssen.

Sportlicher Erfolg. Beinharte Monate stehen Teamchef und Sportdirektor Roger Bader und Co. auf dem Eis bevor. Ende April kann das Ziel bei der WM Division 1A in Laibach nur Wiederaufstieg lauten. Ab 27. August kämpft Österreich um die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2022 in Peking. Das wird für Bader möglicherweise ein neuralgischer Punkt. Sein Vertrag würde sich bei erfolgreicher Qualifikation automatisch verlängern, bei einem Scheitern (was mit Gegnern wie Slowakei oder Weißrussland wahrscheinlicher ist) wäre seine Zukunft offen. Im Dezember wird Österreich U20 bei der elitären WM in Kanada das schier unmögliche Unternehmen „Klassenerhalt“ versuchen.

Fazit: Österreichs Eishockey besitzt Potenzial, hat jedoch dringenden Bedarf an Innovationen. Die Frage lautet, ob sich der Verband die Umsetzung von einschneidenden Maßnahmen zutraut? Es wirkt, als wäre der ÖEHV viel zu lange schon mit sich selbst beschäftigt. So droht dem Sport ein Fiasko.