Harsche Kritik nach den Olympischen Spielen im Februar, im Mai dann WM-Silber und jetzt Schweizer Trainer des Jahres. Wie erholt man sich von so einer emotionalen Berg- und-Tal-Fahrt?
Patrick Fischer: Jeder Job hat so seine Tücken. Aber zurzeit ist die Stimmung im Schweizer Eishockey gut. Diese Unterstützung hilft bei neuen Projekten.

Apropos Stimmung: Wie haben Sie die Abstimmung der National- League-Klubs hinsichtlich Import-Beschränkung erlebt?
Es ist gut, dass es bei vier Imports bleibt und nicht aufgestockt wird. Mehr Ausländer bedeutet weniger Eiszeit für Top-Schweizer in den entscheidenden Phasen. Egoistischerweise finde ich es als Teamchef besser. Der Vorstoß von Marc Lüthi (Bern-Boss, Anm.) war eine Bombe, hatte aber auch etwas Gutes. Es wurde überlegt, wie man Budgets reduzieren kann.

Jeder Trainer hat irgendeine fundamentale Coaching-Regel. Ihre lautet?
Die Kabine gehört den Captains. Sie sind Sprachrohr und ich erwarte von ihnen, dass sie ihren Job auch abseits des Eises erfüllen. Das Kennen von Menschen ist so wichtig. Wenn Trainer die Spieler in Situationen bringen, mit denen sie über- bzw. unterfordert sind. Wenn beispielsweise Center in der zweiten Linie spielen sollen und das gar nicht können. Der Spieler gesteht sich das nicht so schnell ein und meint: Das geht schon. Plötzlich finden sie ihre Position und sind genügsam als Drittlinien-Center. Und dann macht er das hervorragend. Als Nationalteam-Trainer ist das viel schwieriger als beim Klub, weil ja weniger Zeit bleibt.

Schweizer Medien behaupten, Sie wären ein Motivator mit taktischen Unzulänglichkeiten. Das erinnert an Ralph Krüger ...
Ich weiß nicht, ob Ralph taktisch schwach war. Ich behaupte, ich bin taktisch ganz gut unterwegs. Zusätzlich verfüge ich über super Assistenten.

Sie haben mit Arno Del Curto und Wayne Gretzky gearbeitet. Wer war Ihr großer Lehrmeister?
Inspiriert hat mich mit Sicherheit Arno Del Curto. Hinsichtlich Trainingslehre, Trainingsintensität und Umgang mit Spielern. Auch Ralph Krüger hat mich geprägt. Wie er für positive Einstellung gesorgt hatte – das war neu für uns alle. Und der Dritte im Bunde war Sean Simpson. Ich durfte von ihm lernen, wie man Spiele vorbereitet, den Gegner analysiert und die taktischen Aspekte.

Und Gretzky?
Er ist das Genie. Für solche Menschen ist es schwierig, ihre Zaubertricks weiterzugeben.

Sie waren auch Klub-Trainer. Bedeutet das, Sie sind jetzt besser als früher?
Gegenfrage: In Lugano gab es vor mir 17 Trainer. Wer hat die meisten Punkte geholt? Sie finden an erster Stelle mich. Und an zweiter Stelle auch mich. Aber in der Schweiz sieht man immer den Abgang. Für mich persönlich hatte ich in Lugano mehr Erfolg und mehr bewegt als in der „Nati“.

Tatsächlich?
Klar. Wir hatten damals in Lugano nur 4000 Zuschauer und lauter Großverdiener im Team. Nach zwei Jahren hatten wir 13 Junioren dabei, das Budget um etwa drei Millionen Franken reduziert, wurden Zweiter und Vierter und hatten mehr Punkte geholt als alle 17 Trainer davor zusammen. Für mich war das ein Riesenerfolg. Ich formte Talente zu Leadern. Lugano wollte keinen Titel mehr kaufen, sondern Junge forcieren.

Könnten Sie jede Mannschaft zu großem Erfolg führen?
Als Trainer braucht man einen Draht zur Mannschaft. Das ist das Fundament. Dann geht es ans Eingemachte wie Taktik. Ich bin jemand, der das offensive Spiel mit der Scheibe sehen will. So einen Prozess stoße ich an. Oder ich kann mutige Entscheidungen umsetzen. So war ich schon als Spieler. Etwas zu konservieren – da bin ich der Falsche.

Wie lauten Ihre Vorgaben?
Früher waren wir defensiv. Ich will unser Land näher an die Weltspitze bringen, indem wir mit offensiver Waffe spielen. Das Spiel der Schweizer ist jetzt auf Geschwindigkeit und Intensität aufgebaut. Die WM in Russland 2015 war dafür richtungsweisend. Damals habe ich versucht, in der „Nati“ Klub-Eishockey spielen zu lassen. Seitdem hat ein Wechsel auf dem Eis stattgefunden. Mir geht es um Veränderung, etwas in neue Bahnen zu lenken und über schwierige Gewässer.

Die Fähigkeit, so zu navigieren – kommen Ihnen die Erfahrungen von etlichen Reisen entgegen?
Sie bringen mich emotional weiter. Mein Herz lacht. Manchmal geht es in den Urwald. Dieses Jahr war ich in South Dakota reiten. Ich kann abschalten und mich vom ganzen Wahnsinn erholen.

Wie reisen Sie?
Mit meinem Rucksack. Ich finde, das sollte jeder einmal machen. Es ist etwas Wunderbares. Manchmal bereise ich Länder, da muss man erst einmal erklären, was Eishockey überhaupt ist.

Zurück zum Sport: Die Schweiz gibt bei WMs stets das Ziel Viertelfinale aus. Warum orientieren Sie sich nicht am Titel?
Viertelfinale ist schon schwer genug. Unser Traum ist, dass wir irgendwann ganz oben ankommen. Da muss alles zusammenpassen