Der kolossale Vertrag des Lionel Messi, der Barcelona ruiniert.“ So titelte „El Mundo“ am Sonntag in großen Lettern und leakte einige Zahlen aus dem Kontrakt, der seit dem 1. Juli 2017 und bis zum 30. Juni dieses Jahres gültig ist. Dabei veröffentlichte die spanische Zeitung, was der Superstar in den vier Spielzeiten bei den Katalanen am Ende angeblich verdient haben soll: insgesamt bis zu 555.237.619 Euro brutto. Während sich Messi selbst zu der Causa noch nicht geäußert hat, erhält er vom Klub „absolute Unterstützung“. Der für das Präsidentenamt bei Barcelona kandidierende Victor Font meinte: „Messi hat jeden einzigen Euro, den er von Barcelona erhält, auch verdient.“

Aber stimmt das auch?

PRO:

Gehalt ist keine Frage der Moral

Von Georg Michl

Lionel Messi erhält bei Barcelona 210.000 Euro am Tag. Eine Summe, die fernab jeglicher Vorstellungskraft eines Normalbürgers liegt. Und ein Teil seiner Fans wird in ihrem Leben nicht so viel erhalten wie er binnen 24 Stunden. Aber verdient er das auch? Offenbar.

Die Frage nach der Moral stellt sich bei Gehaltsverhandlung nicht – das war schon vor dem Turbokapitalismus so. Dass Barcelona trotz Schulden in Euromilliardenhöhe munter weitermacht, ist nicht nur ethisch, sondern auch wirtschaftlich definitiv zu hinterfragen. Genauso wie der gesamte Markt und Handel (Ablösen) im internationalen Fußball.

Losgelöst davon geht es hier aber rein um das Salär des Argentiniers, und kein Konzern der Welt, keine Firma und auch kein Fußballverein zahlt freiwillig zu viel an einen Angestellten. Das Vereinscredo „Més que un club“ („Mehr als ein Klub“) steht in großen gelben Lettern in dem Stadion, in dem Messi arbeitet. Würde sein Wirken allein darin bestehen, im Camp Nou oder sonst wo das Runde ins Eckige zu bekommen, wäre er heillos überbezahlt. Doch er ist längst „Més que un empleado“; mehr als ein Angestellter. Der Argentinier ist zum Gesicht des Vereins geworden. Der FC Barcelona ist Messi und umgekehrt. Die Marke „Messi“ ist auch dank der Digitalisierung gewaltig. Weltweit werden seine Trikots verkauft, sein Gesicht lacht von Videospielen und Tausenden anderen (Fan-)Artikeln, und so wird der Mammon zurück in die Kassen des Klubs, der Sponsoren und selbst der Stadt Barcelona gespült.

Er scheint das Geld aus wirtschaftlicher Sicht zu verdienen, nicht nur zu bekommen. Die Frage nach der Moral ist (leider) eine andere.

KONTRA:

Das haben wir nicht verdient

Von Hubert Gigler

Dem durchtrainierten Lottospieler können solche Summen gedanklich nichts anhaben, er darf Woche für Woche den Slogan „Reicher als reich“ träumerisch ausleben. 130 Millionen warten im aktuellen Euro-Jackpot darauf, gewonnen zu werden. Dieser Betrag liegt knapp unter jener Summe, die Lionel Messi alljährlich überwiesen wird. Keine Sorge, es geht nur um den Brutto-Lohn. Haben wir uns das verdient? Haben wir nicht. Es ist zu viel, viel zu viel. Aber was hilft’s?

Die Gage ist ein Spitzenwert, der seine Wirkung nicht verfehlt, auf der Gefühlsebene – von Neid bis Wut – oder rein sachlich. Der mit dem Fußball-Geschäft vertraute Kapitalist des Neoliberalismus spricht von „marktüblicher“ Zahlung, der Gesellschaftskritiker und Moralist von zutiefst verwerflichen, unvertretbaren Auswüchsen eines verdorbenen Systems.

Dabei ist der Widerspruch zwischen der Welt der Milliarden-Jongleure und jener der Mindestlohn- oder -rentenempfänger eine stets gültige und leider unauslöschliche Konstante. Er tritt nur in Krisenzeiten stärker zutage. Die Entrüstung mag mit dieser Offenbarung auf der Richterskala des Zornpegels einen neuen Höchststand erreichen. Mit einer Wende ist nicht zu rechnen. Die Menschen ertragen viel, sie werden sich trotz vermeintlich abschreckender Wirkung nicht abwenden vom Fußball.

Dennoch ist es wert, davon zu erfahren und darüber zu sprechen. Bliebe alles verborgen, bestünde nicht einmal die theoretische Chance auf Veränderung. Das Mitleid mit dem hoch verschuldeten FC Barcelona hält sich in Grenzen, der Klub wird nicht untergehen. Aber die Hoffnung auf eine bessere Welt, sie stirbt zuletzt.