„Ruhe“ soll wieder ins Team einkehren – das betonten in den vergangenen Wochen nahezu alle im Hause Red Bull Racing, von Max Verstappen über Helmut Marko bis hin zu Teamchef Christian Horner. Nach einem turbulenten Saisonstart in Bahrain und Saudi-Arabien, wo sogar der Rauswurf des Grazer Motorsportberaters im Raum stand, hat sich die Lage in den vergangenen Wochen etwas entspannt. Nun scheint das Erfolgsteam aber endgültig zu zerfallen. Recherchen von Motorsport-Total.com zufolge hat der britische Design-Guru Adrian Newey seine Kündigung bei Red Bull Racing bereits Anfang der Woche schriftlich eingereicht.

Das deckt sich auch mit Informationen der Kleinen Zeitung. Am Mittwoch wurde es dann offiziell: Newey und Red Bull Racing gehen ab 2025 getrennte Wege. „Ich denke, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um den Staffelstab an andere zu übergeben und mich neuen Herausforderungen zu stellen“, wird der Brite in der Pressemitteilung der Bullen zitiert. Newey wird bis zu seinem Ausscheiden im ersten Quartal des kommenden Jahres am Sportwagenprojekt arbeiten und nicht mehr in die Entwicklung des 2025er-Autos involviert sein. „Alle unsere größten Momente der letzten 20 Jahre sind mit Adrians Hand an der technischen Pinne entstanden. Seine Vision und seine Brillanz haben uns in 20 Saisons zu 13 Titeln verholfen“, wird Horner zum Abgang zitiert.

Affäre als Grund

Die Causa um Teamchef Christian Horner, dem von einer Mitarbeiterin unangemessenes Verhalten vorgeworfen wurde, ist wohl der ausschlaggebende Grund für die Trennung. Den seither ausgebrochenen Machtkampf will der Designer offenbar nicht mitmachen. Für Red Bull Racing der Super-GAU, hatte der 65-jährige Brite großen Anteil am Aufstieg des Rennstalls. Das Gehirn des Millionenprojektes gilt als größter Ingenieur der Geschichte in der Motorsport-Königsklasse. Seiner Feder entstammten die legendären Boliden, die Sebastian Vettel vier Titel einbrachten, und auch für das jüngste Erfolgsprojekt, den RB20, zeichnet sich Newey verantwortlich. Der radikale Schritt, den erfolgreichen Vorjahreswagen komplett zu verändern, zahlte sich voll aus.

Nach Stationen bei Williams und McLaren kam Newey 2006 zu Red Bull Racing und formte den britisch-österreichischen Rennstall mit seinem damals guten Freund Horner zu einem absoluten Spitzenteam. Außerdem genoss er viele Freiheiten, was alleine schon das millionenschwere America’s-Cup-Projekt zeigt, an dem der leidenschaftliche Segler intensiv arbeitete. Nun scheint es Newey zu reichen, die Situation im Bullenstall brachte das Fass wohl zum Überlaufen.

Horner unbeeindruckt

Mit dem Abschied zeigt der Brite, dass er Werte und Prinzipien hat, zu denen er steht – anders als der derzeitige RB-Teamchef. Wie unantastbar sich Horner bei Red Bull fühlt, zeigen nicht nur die vergangenen Wochen. In einem Interview mit motorsport.com sprach der starke Mann an der Kommandobrücke von Red Bull im Vorjahr auch über Designer Newey und seine Rolle, die sich verändert habe, „und das technische Team unter ihm, das von Pierre Wache geleitet wird, leistet wunderbare Arbeit, sodass sie nicht von Adrian abhängig sind“.

Dann zog Horner einen gewagten Fußballvergleich und erklärte, dass auch Manchester United nicht untergegangen sei, als Starspieler Eric Cantona die Mannschaft verließ. Ohnehin sei der Teamchef immer ein größerer Fan von Trainer Alex Ferguson gewesen. Schon damals kam das Interview bei Newey nicht gut an, was auch durch seine Frau Amanda deutlich wurde. Sie postete das Interview auf Twitter und schrieb „Was für ein Schwachsinn“. Schwachsinn, der Red Bull teuer zu stehen kommt. Newey wird nicht lange ohne Job bleiben, vor allem Ferrari dürfte in der Poleposition für eine Verpflichtung sein. Der absolute Machtanspruch Horners hat nun sein erstes Opfer im Bullenstall gefordert – es wird wohl nicht das letzte bleiben.