Gespannt lauscht Matthias Walkner den Worten von Primar Michael Plecko, fast schon wie ein Schüler dem Lehrmeister, als der Arzt Schritt für Schritt erklärt, wie in den vergangenen Wochen das komplett zerstörte Sprunggelenk des Off-Road-Stars zusammengebastelt wurde. Und „basteln“ ist in diesem Zusammenhang wohl der zutreffendste Begriff, war doch nach dem heftigen Trainingsunfall Walkners in den USA nicht mehr viel Substanz im Fuß vorhanden. Konkret: Aus einem Knochen wurden mehr als 30 Splitter, aus drei Schlagadern nur noch zwei und auch die Bänder waren nicht mehr nd Ort und Stelle. „Ich hatte wirklich ein fünf Zentimeter großes Loch im Fuß, wo kein Knochen mehr war, wo wir aus der Knochenbank, mit Knochenchips und aus meiner Hüfte versucht haben, das alles zu rekonstruieren,“ erzählte der Salzburger Motorrad-Profi – fast schon im Stile eines Mediziners.

Das bestätigte auch der Arzt am AUVA-Unfallkrankenhaus Steiermark in Graz, war Walkner doch über seine lange Behandlungszeit nicht nur Patient, sondern vielmehr noch wissbegieriger Schüler. „Matthias ist unglaublich im Aufnehmen von Informationen, er ist fast schon ein kleiner Mediziner“, erklärt Plecko, der auch die 15-stündige Hauptoperation leitete: „Ich habe ihn nicht nur als extrem starken, sondern auch berechtigt kritischen Menschen kennengelernt. Er ist es gewohnt, Probleme, die es gibt, aufzunehmen, zu analysieren und dann Antworten darauf zu bekommen. Gleichzeitig ist er auch Teil der Problemlösung, wir können immer direkt sprechen.“ Einmal habe der Mediziner die Wunde inspiziert und dabei wohl die ein oder andere Sekunde zu viel nachgedacht. Die Reaktion Walkners in Richtung seines Arztes: „Denk‘ laut!“

Karriereende?

Zeit zum Nachdenken hatte der 37-Jährige in den vergangenen Wochen zur Genüge. Im Dezember stürzte er in den USA, wurde nach einigen Tagen und Operationen ins UKH nach Graz überstellt. Zwischen Physiotherapie und Essen bleiben da auch einige Minuten, um die Leidenszeit Revue passieren zu lassen und in die Zukunft zu blicken. „Ob ich jetzt noch einmal Rennen fahre, über das habe ich gar nicht viel nachgedacht. Jetzt habe ich ganz andere Prioritäten. Ganz zu Beginn, noch in Amerika, da habe ich schon gesagt: ,Nein, den Sch*** tue ich mir sicher nicht mehr an‘“, gesteht Walkner ganz ehrlich, fügt aber an: „Natürlich sind wir jetzt schon wieder weiter weg davon. Mittlerweile denke ich schon wieder, dass es schon cool wäre, noch einmal Rennen zu fahren, mein Team zu sehen. Ich will aber nur wieder an den Start gehen, wenn ich konkurrenzfähig bin. Ob das gelingt, weiß zurzeit noch niemand. Motorradfahren werde ich sicher wieder, ob es für Rennen reicht, wird man sehen.“

Für den Dakar-Sieger von 2017 war der „Totalschaden“ im Sprunggelenk nicht die erste größere Verletzung. Erst im Vorjahr stürzte er auf der legendären Rallye, hatte damals eine halbe Stunde kein Gefühl im rechten Oberschenkel. „Zu meinem Kollegen habe ich damals gesagt: ,Film die Situation, damit ich sie mir immer wieder anschauen kann und nie mehr so dumm bin und auf ein Motorrad steige.‘“ Die Situation nach seinem Unfall im Dezember war dann allerdings noch viel dramatischer. Walkner übersah im Training ein Flussbett, sprang bei sechs Metern Höhenunterschied in einen Gegenhang. „Was mir in Erinnerung geblieben ist: In der Luft habe ich einen Rahmen vor mir gesehen, der unterteilt war in ein schwarzes Bild rechts, und einen Rollstuhl links. Ich kann mir ausmalen, was das schwarze Bild zu bedeuten hat. Dann bin ich gestürzt und habe gewusst, dass es massiv wehtun wird.“

Walkner mit Arzt Michael Plecko
Walkner mit Arzt Michael Plecko © Matthias Janisch

Amputation ausgeschlossen

Die Erstversorgung in Kalifornien sei tadellos gewesen, die Zeit danach schwierig. „Viele haben gesagt, dass ich froh sein kann, dass der Fuß überhaupt noch dran ist. In den USA waren kurzzeitig zwei der drei Hauptarterien für die Blutversorgung im Fuß weg.“ Am herausforderndsten war die Zeit im Krankenhaus. Das Essen sorgte für Magenkrämpfe, jeder Tag wurde „schlimmer und schlimmer“. Umso befreiter war er, wieder in Österreich zu sein. Gefahr einer Infektion besteht keine mehr, eine Amputation des Fußes ist demnach vom Tisch.

Am Freitag darf Walkner das UKH Graz verlassen und für eine Woche nach Hause fahren. Danach stehen die ersten Einheiten in der AUVA-Rehabilitationsklinik in Tobelbad auf dem Programm, weitere Operationen werden folgen, „alles zu seiner Zeit“, wie Arzt Plecko betont. In ferner Zukunft kann sich das Zweirad-Ass übrigens auch einen Umstieg auf vier Rädern bei der Dakar vorstellen, auch wenn „Motorradfahren sicher mehr Spaß macht“. Der sympathische Motorsportler bleibt seinem Motto also treu: Alles kann, nichts muss.