Wie sehen Sie als erste Pflegeanwältin Ihre Rolle, was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Christine Fercher: Ich sehe mich als Sprachrohr für pflegebedürftige Menschen. Mit meinem Team suche ich nicht nur bei Anlassfällen nach zufriedenstellenden Lösungen, sondern wir setzen uns weisungsfrei und unabhängig für pflegebedürftige Personen, deren Angehörige und gesetzliche Vertreter ein. Die Inanspruchnahme der Pflegeanwaltschaft ist kostenlos und kann auch anonym erfolgen. Generell ist die Einrichtung einer unabhängigen Pflegeanwaltschaft in Kärnten natürlich ein deutliches Signal, für die Rechte der vorwiegend alten, pflegebedürftigen Menschen einzutreten und somit wichtige Rahmenbedingungen für eine bestmögliche Lebensqualität zu schaffen und zu erhalten.

Wie sieht Lebensqualität in diesem Fall aus?
Fercher: Lebensqualität ist die Möglichkeit des Einzelnen, in diesem Fall eines vorwiegend alt gewordenen und meist pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen, in seiner Individualität leben zu dürfen. In einem Altenwohn- und Pflegeheim wird es nie ganz möglich sein, dass alle Bewohner zur Gänze entsprechend ihren Gewohnheiten, ihrer Biografie, und ihrer Lebenseinstellung leben können, aber es ist die Aufgabe der Pflege, mit Pflege- und Betreuungskonzepten dafür zu sorgen, dass sich alte Menschen, für die das Altenwohn- und Pflegeheim oft der letzte Wohnort ist, geborgen und vielleicht sogar doch ein wenig zu Hause fühlen.

Sie sprechen u. a. von Anlassfällen, in denen die Pflegeanwaltschaft konsultiert wird – welche Anlassfälle wären das zum Beispiel?
Fercher: In unserer Kategorie „Mitteilung mit Intervention“ gab es mit 94 die meisten Fälle. 76 davon kamen aus dem stationären Langzeitbereich, also Altenwohn- und Pflegeheimen. Beispiele dafür sind: Verdacht auf Pflegefehler unterschiedlichster Art, Ernährungsprobleme, finanzielle Probleme usw. In der 24-Stunden-Betreuung sind es oft Probleme mit Vermittlungsagenturen oder mit der Betreuungskraft. Beim Pflegegeld ging es in beiden bisherigen Fällen um eine Beschwerde gegen das „Auftreten“ des einstufenden Sachverständigen. Sonstige Beispiele sind Beschwerden im Bereich der Sachwalterschaft, Beschwerden gegen Sozialversicherungsträger im Bereich der Kostenübernahmen usw.

Gibt es auch Fälle, die keine Intervention der Pflegeanwaltschaft zur Folge haben, wo Sie also nicht aktiv helfen können?
Fercher: Ja, die gab es auch schon, in den konkreten beiden Fällen waren das Beschwerden über die Versorgung in einem Krankenhaus und Beschwerden über einen niedergelassenen Arzt. Diese Sachlagen fallen in den Zuständigkeitsbereich der Patientenanwaltschaft.

Wenn man es nochmals zusammenfasst: Wann kann die Pflegeanwaltschaft konsultiert werden, sprich: Was sind Ihre Aufgaben?
Fercher: Die Aufgaben der Pflegeanwaltschaft erstrecken sich von der Beratung in Fragen die Pflege betreffend, von der Entgegennahme von Beschwerden in Angelegenheiten der Pflege, insbesondere über die Behandlung, die Betreuung oder Pflege in Altenwohn- und Pflegeheimen, durch mobile Dienste, durch Betreuungskräfte im Sinne einer 24-Stunden-Betreuung und von der Vermittlung bei Konflikten in Bezug auf Pflege- und Betreuungsleistungen über die Information der Öffentlichkeit bis hin zur Begutachtung von Landesgesetzen und Verordnungen der Landesregierung in Angelegenheiten der Pflege und Stellungnahmen in grundlegenden, die Interessen von pflegebedürftigen Personen betreffenden Fragen.

Die Gesellschaft ist derzeit in einer – nicht so schön klingenden – Phase der „Überalterung“. Ihre Prognose in Hinblick auf die Pflege?
Fercher: Natürlich wird sich die Anzahl pflegebedürftiger Menschen in den nächsten Jahren erhöhen, wenn man eine konstante Entwicklung der altersspezifischen Pflegehäufigkeiten voraussetzt. Der weltweit beobachtbare demografische Wandel hat natürlich auch vor Österreich nicht Halt gemacht. Wie wir aus der Statistik wissen, zählt Kärnten zu den am stärksten betroffenen Bundesländern. Diese Tatsache wird einen hohen Stellenwert in der Sozialplanung einnehmen müssen. Für die Pflege und Betreuung werden in Zukunft nach den heutigen Prognosen aus mehreren Gründen wie beispielsweise durch die steigende Anzahl von Single-Haushalten und alleinerziehender Mütter, durch verstärkte Abwanderungen junger Familien usw. immer weniger Familienmitglieder für die Pflege und Betreuung zur Verfügung stehen.

Wenn der Bedarf also steigt, wie wird sich die Pflege im Allgemeinen anpassen und damit verändern?
Fercher: In Anbetracht des steigenden Bedarfes werden sich Angebote, Finanzierungsmodalitäten, die Ausbildung von Pflege- und Betreuungspersonen, gesundheitsfördernde Modelle, Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen und vielleicht sogar der Einsatz von technischen Hilfsmitteln und vieles mehr weiterentwickeln müssen, um die Pflege und Betreuung der alten Menschen weiterhin garantieren zu können.

Und wie gestaltet sich die aktuelle Lage in Kärnten?
Fercher: Die Mehrheit der meist alten pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen lebt zu Hause und wird von Angehörigen mit oder ohne professionelle Hilfe gepflegt. Aufgrund der schon genannten gesellschaftlichen Entwicklungen ist der Verbleib in den eigenen vier Wänden immer häufiger nicht mehr möglich. Daher wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer zunehmenden Inanspruchnahme von Heimbetreuungsplätzen kommen.

Wie und wo möchten Sie persönlich einmal Ihren Lebensabend verbringen?
Fercher: Ich würde meinen Lebensabend gerne gemeinsam mit meinem Partner und einem großen Hund irgendwo in den Bergen, abgeschieden in der Stille der Natur verbringen. Ehrlich ist diese Antwort, aber realistisch wohl eher nicht – ein bisschen ist mein Vorhaben wie der Spruch: „Ich möchte sehr alt werden, aber dabei jung bleiben“.